Eine kleine Schwester dazugewonnen
„Es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl, jemandem das Leben zu retten!“
Leonie Schmidt (23) aus Sulzbach im Taunus ist Stammzellspenderin. Die angehende Erzieherin schenkte der 15-jährigen Sidney aus Trier im Januar 2018 Hoffnung auf ein gesundes Leben. Noch bevor Corona im März 2020 unser öffentliches Leben weitgehend einschränkte, trafen sich die beiden zum ersten Mal – und verstanden sich so gut, dass sie für die Sommerferien einen gemeinsamen Urlaub in Hamburg beschlossen. Dort lernten sie sich im Juli dieses Jahres besser kennen und möchten sich fortan in ihrem Leben nicht mehr missen.
Mit dem Thema Stammzellspende war Leonie durch ihre Mutter und ihre ältere Schwester vertraut, die beide bei der DKMS registriert sind. So dachte sie mit 20, dass es auch für sie an der Zeit sei, sich in die Datei aufnehmen zu lassen. Nur ein halbes Jahr später erhielt sie einen Anruf mit der Nachricht, dass sie eventuell als passende Spenderin infrage komme. „Als mein Handy klingelte, wusste ich, dass es die DKMS ist. Das hat mich total gefreut“, sagt sie. Schon gleich nach der Registrierung hatte Leonie die Tübinger Nummer der DKMS in ihr Handy eingespeichert, um sie im Fall der Fälle zuordnen zu können.
Zum ersten Mal im Krankenhaus
Bereits zwei Monate später spendete sie. Ihre Mutter begleitete Leonie ins Krankenhaus, um sie zu unterstützen. Leonie wurden die Stammzellen unter Vollnarkose aus dem Beckenkamm entnommen. „Ich hatte Respekt vor dem Eingriff, da ich zuvor noch nie im Krankenhaus war und auch noch keine Vollnarkose bekommen hatte“, erinnert sich Leonie. „Durch die DKMS fühlte ich mich aber gut aufgeklärt und informiert. Der Gedanke, das Leben eines Menschen zu retten, der in Lebensgefahr schwebt, überwog. Ich dachte zu keiner Zeit daran, es nicht zu tun.“
Den Wunsch, „ihre“ Patientin irgendwann persönlich kennenzulernen, verspürte Leonie von Anfang an. Anonym schrieb sie zunächst einen Brief mit Genesungswünschen und erhielt Antwort. Einige Briefwechsel folgten, und auch Sidney und ihre Familie wollten nach Ablauf der zweijährigen Anonymitätsfrist wissen, wer hinter der Spende steckte. Wenige Wochen nachdem die Adressen über die DKMS ausgetauscht worden waren, besuchte Leonie die Empfängerin ihrer Stammzellen zu Hause in Trier. Auch dabei begleitete ihre Mutter sie.
„Sidney und ihrer Familie gegenüberzustehen war überwältigend. Ihre Mutter nahm mich sofort in den Arm. Sidney kam dann auf mich zugelaufen, und auch wir haben uns erst einmal umarmt. Es war einfach nur Wahnsinn“, schildert Leonie ihre Eindrücke.
Musik verbindet
Sidney leidet unter einer schwerwiegenden Krankheit des Nervensystems, der sogenannten metachromatischen Leukodystrophie (MLD). Dabei werden unter anderem Nerven des Gehirns angegriffen, was bei der Schülerin zu motorischen und sprachlichen Störungen geführt hat. Mit einem neuen Immunsystem – dank Leonie – konnte die Krankheit zum Glück gestoppt werden. Dennoch muss Sidney vieles erst wieder neu erlernen. Selbst einfache Dinge wie eine Flasche aufdrehen und wieder verschließen waren ihr nicht mehr möglich. Es gab sogar eine Zeit, in der sie gar nicht mehr sprach. Musik hat sie ein wenig über diese schlimme Phase hinweggetröstet, über sie konnte sie sich mitteilen.
Musik ist auch ein wichtiger Teil von Leonies Leben. Sie ist Mitglied in einem Chor des Vereins „Junge Kantorei Bad Soden“. Vor der Coronakrise ist sie regelmäßig mit dem Chor aufgetreten. Mit Sidney hat sie auf der gemeinsamen Autofahrt nach Hamburg gesungen. Beide hören gerne deutsche Popmusik. Besonders mag Leonie die Songs von Tim Bendzko – hätte der einen Background-Chor, sie würde liebend gerne einmal mitsingen.
Gegenbesuch im Taunus verschoben
Da die Zahl der an positiv getesteten Coronafälle aktuell wieder stark zunimmt, haben Sidney und ihre Familie einen Gegenbesuch bei Leonie im Taunus erst einmal verschoben. Bis dahin schreiben und telefonieren die beiden regelmäßig. Sidney nennt Leonie oft liebevoll „meine Heldin“ und lässt sie wissen, dass sie sie liebhat.
Für Leonie ist es ein tolles Gefühl, so herzlich in die Familie aufgenommen worden zu sein. „Ich bin froh und dankbar, dass wir beide den Wunsch hatten, uns kennenzulernen. Sidney ist wie meine kleine Schwester. Neben der Musik teilen wir weitere Hobbys wie das Schwimmen und sind gerne draußen. Es ist schön zu wissen, dass man mit der einfachen Spende bewirkt hat, dass ein Mensch weiterleben kann. Bitte habt keine Angst vor der Spende, man wird gut aufgeklärt“, appelliert sie an andere.
Manchmal dauert es von der Registrierung bis zur Spende viele Jahre, manchmal aber auch nur wenige Monate. Jeder, der sich jetzt in die DKMS aufnehmen lässt, kann schon morgen als „perfect match“ für einen schwer kranken Menschen gefunden werden. Deshalb ist jetzt und immer der richtige Zeitpunkt, die Chance zur Registrierung wahrzunehmen: www.dkms.de.