Kennenlernen in der Stadt, die niemals schläft
Wenn Marco Büsen an das Treffen mit John Wolf denkt, fallen ihm vor allem drei Worte ein: Familie. Liebe. Dankbarkeit.
Knapp drei Jahre nach seiner Stammzellspende reiste Marco Büsen (29) nach New York City, um Empfänger John Wolf (78) zu treffen, dem er eine neue Lebenschance ermöglichen konnte. Die beiden Männer begegneten sich zum ersten Mal auf einem Gala-Dinner der Northwell Health Organisation, und erlebten ein emotionales Kennenlernen.
„Mir war vor der Spende schon bewusst, dass ich, wenn ich jemals spenden sollte, meinen Empfänger unbedingt kennenlernen möchte!“, erinnert sich Marco Büsen. Damit gerechnet, dass er so schnell tatsächlich spenden kann, habe er allerdings nicht. Anlass für seine Registrierung im Jahr 2015 war die Erkrankung einer Frau aus dem Nachbardorf, für die die DKMS zu einer Registrierungsaktion aufgerufen hatte.
Schon ein Jahr später erhielt er per Post die Benachrichtigung, dass er als Spender für einen Patienten infrage kommt. Zu diesem Zeitpunkt realisierte er allerdings noch nicht, welche Tragweite diese Nachricht haben wird. „Ich habe mich gefreut und war überrascht, mit weiteren Emotionen war das aber noch nicht verbunden“, erzählt der 29-jährige.
Zum Zeitpunkt der Spende im Mai 2016 wusste der leidenschaftliche Bodybuilder auch noch nichts über den Empfänger, Zweifel hatte er dennoch überhaupt keine. „Ich war natürlich aufgeregt, aber auch bestens aufgeklärt.“, erklärt Marco Büsen. Die ambulante Spende dauert bei Marco Büsen elf Stunden, die auf zwei Tage verteilt waren. „Nach der Spende war ich einfach nur platt und ausgelaugt, und habe den halben Nachmittag geschlafen. Danach war ich sofort wieder fit.“
Auch in Marco Büsens‘ Umfeld wurde die Nachricht seiner Spende durchweg positiv aufgenommen. „Alle haben sich gefreut und waren total aus dem Häuschen. Die Spende hat in meinem Umfeld viele Denkanstöße gegeben.“
Aufgrund der Bestimmungen, dürfen sich Spender und Patient erst nach zwei Jahren persönlich kennenlernen, zuvor ist allerdings eine anonyme Kontaktaufnahme möglich. Nach Aufhebung der Anonymität erhält Marco Büsen ein etwas anderes Weihnachtsgeschenk – einen Brief von seinem Empfänger aus den USA. „Er schrieb mir, wie unfassbar dankbar er mir ist und dass er dies kaum in Worte fassen kann. Außerdem erzählte er mir über sein vergangenes Leben, seine Familie und wie sehr er sich freuen würde, wenn wir uns kennenlernen könnten.“, erinnert sich Marco Büsen. In den folgenden Monaten pflegen die beiden Männer regelmäßigen E-Mail-Kontakt.
In seinem ersten Brief schreibt der 78-jährige John Wolf außerdem über das „Bone Marrow Diner“ in New York und dass er darauf hofft, seinen Spender dort zu treffen. Und tatsächlich – die Northwell Health Organisation, welche für die Transplantation des Empfängers in den USA verantwortlich war, lässt Marco Büsen über die DKMS eine Einladung zukommen „Ich wurde eingeladen, für eine Woche nach New York zu reisen und dort im Mai 2019 an der Veranstaltung teilzunehmen, um meinen Empfänger kennenzulernen.“, erzählt er.
Marco Büsen sagt sofort zu. Als es endlich soweit ist, überkommen ihn auch die Emotionen. „Ich war total aufgeregt. Dieses Gefühl entwickelte sich exponentiell. Sonntags nach der Anreise, freute ich mich erstmal auf New York, den Urlaub und natürlich das Treffen. Dienstagmorgen konnte ich schon an nichts Anderes mehr denken.“
Das „Bone Marrow Diner“ fand im Crest Hollow Country Club statt, einer „Lokalität wie aus einem Hollywoodfilm“ beschreibt Marco Büsen. Bei dem Dinner waren einige Medien anwesend. Auch wenn es für ihn sehr ungewohnt ist, im Mittelpunkt zu stehen und von Kameras begleitet zu werden, ist ihm der Abend sehr in Erinnerung geblieben: „Es war überwältigend. Alles hat sich angefühlt wie ein Traum.“
Von Kameras begleitet trifft Marco Büsen schließlich das erste Mal auf John Wolf, dem er mit seiner Stammzellspende im Kampf gegen das Myelodysplastische Syndrom (MDS) helfen konnte. „Wir haben uns, statt uns die Hand zu schütteln, gleich in die Arme geschlossen und sofort war dieses Band da, was Spender und Empfänger beim ersten Kennenlernen verbindet.“, erinnert er sich. Etwas später hatten die beiden Männer dann auch Zeit, miteinander zu reden. „Er hat mir seine volle Dankbarkeit ausgesprochen und sagte, dass er froh sei, wenn er mein „Blutsgroßvater“ sein dürfe.“, erzählt Marco Büsen. „Natürlich habe ich dem zugestimmt und ihm versichert, dass er und seine ganze Familie nun auch zu meiner Familie gehören.“
Marco Büsen verbrachte noch die ganze Woche mit John Wolf, seiner Frau Carol und der Familie. Dabei soll es aber nicht bleiben. “Ich habe vor, mindestens alle zwei Jahre dorthin zu fliegen und ihn zu besuchen, wahrscheinlich sogar nächstes Jahr.“ Sofern sein gesundheitlicher Zustand dies zulässt, würden John Wolf und seine Ehefrau auch gerne mal nach Deutschland reisen, um Marco Büsen in seiner Heimat zu besuchen.
Über die Frage, ob er ein weiteres Mal spenden würde, muss Marco Büsen nicht einmal nachdenken. „Sofort. Die Frage würde sich mir gar nicht stellen.“, antwortet er.