Unterwegs als Stammzellkurierin
Auch in Zeiten der Coronakrise werden lebensrettende Stammzellen zu den Patienten gebracht – von engagierten Menschen wie Maria
Maria Schmiing ist DKMS-Mitarbeiterin und seit rund zwei Jahren ehrenamtlich als Stammzellkurierin im Einsatz. Vor einigen Tagen brachte sie ein Transplantat aus Deutschland in die USA – in Zeiten der Coronakrise eine besonders große Herausforderung. So ist derzeit eine Einreise nur möglich, weil die DKMS mit Unterstützung des US-amerikanischen Stammzellspenderregisters National Marrow Donor Program (NMDP/Be the Match) eine Sondergenehmigung für die Einreise von Stammzellkurieren in die USA erwirkt hat – damit Patienten dringend benötigte Transplantate erhalten.
„Über eine Bekannte bin ich vor einigen Jahren darauf aufmerksam geworden. Sie ist Lehrerin und macht in den Ferien Stammzelltransporte – ich war sofort begeistert und habe mich auch dafür gemeldet“, erzählt Maria Schmiing aus Köln. Kurzerhand bewarb sie sich bei der Ontime Onboard Courier GmbH, einem der Transportunternehmen, mit denen die DKMS zusammenarbeitet, um lebensrettende Stammzellen zu den Empfängern zu bringen.
Marias erster Einsatz führte sie damals nach Leiden in den Niederlanden – übrigens ein wichtiger Ort für den Kampf gegen Blutkrebs, denn dort hat der Dachverband World Marrow Donor Association (WMDA) seinen Sitz. „Ich war davor total aufgeregt“, erinnert sie sich.
Danach folgten zahlreiche weitere Einsätze, und über ihre Tätigkeit als Kurierin entstand in ihr der Wunsch, auch bei der DKMS zu arbeiten. „Für mich hat sich damit der Kreis geschlossen; ich mache etwas Sinnvolles mit meinem Leben. Ich bin mir wirklich sehr bewusst, wofür ich das mache: für die Patienten, die unsere Hilfe benötigen. Was ich super finde: Ich werde dabei auch sehr stark von meinem Team und meiner Vorgesetzten unterstützt, gerade auch in der aktuellen Situation.“
Der Einsatz von Stammzellkurieren wie Maria Schmiing ist derzeit besonders gefragt, damit auch in der Coronakrise Stammzellspenden sicher zu ihren Empfängern in der ganzen Welt gelangen. Und so ging es für die 34-Jährige vor einigen Tagen in die USA. „Der Ablauf rund um einen Kuriereinsatz ist eigentlich immer gleich“, erklärt sie. „Im Briefing werden einen Tag vorher alle Dokumente gemeinsam durchgegangen, und der gesamte Reiseablauf wird besprochen. Alles Wichtige wird markiert und thematisiert.“ Etwas ist im Moment allerdings anders: Die Kuriere müssen eine Sondergenehmigung mit sich führen, die es ihnen erlaubt, in die USA einzureisen. „Diese muss man bei Aus- und Einreise vorzeigen.“
Nächste Station war für Maria am nächsten Morgen das Entnahmezentrum. Dort nahm sie von speziell geschulten Mitarbeitern die lebensrettenden Stammzellen entgegen. Diese waren dort zuvor einem DKMS-Spender entnommen und für den Transport aufbereitet worden. Im Vier-Augen-Prinzip wurden vor der Übergabe des Transplantats alle Dokumente und Angaben überprüft. „Besonders schauen wir auf die Spendernummer und gleichen sie ab, denn wir müssen sicherstellen, dass der Patient das für ihn passende Transplantat erhält.“
Danach ging es für Maria auf die Reise. Erlaubt ist Stammzellkurieren nur ein zusätzliches Handgepäckstück, um unterwegs flexibel bleiben zu können. „Das Wichtigste sind die Stammzellen oder das Knochenmark. Das Transplantat dürfen wir die gesamte Reise über nicht aus den Augen lassen. Ich hüte diesen Koffer wie meinen Schatz, wie eine Mutter, die auf ihre Kinder aufpasst. Mir ist bewusst, welche Verantwortung ich trage, und ich fühle diese, bis ich die Stammzellen sicher in der Klinik des Patienten abgegeben habe.“
Vor dem Abflug in die USA sorgte sie im Flughafen Frankfurt dafür, dass der Koffer mit den Stammzellen nicht mit dem Röntgengerät durchleuchtet wurde.“. „Ich sage immer dazu, dass dies für das Transplantat schädlich ist – was aber den meisten bekannt ist. Erst wenn der Koffer von einem Beamten durch den Kontrollbereich gebracht worden ist, folge ich. Dies ist der einzige Punkt, an dem wir den Koffer aus der Hand geben. Es gab zum Glück weder an der Sicherheitskontrolle noch am Zoll Probleme.“
Im Flugzeug informierte sie die Crew, eine für sie wichtige und regelmäßige Aufgabe, und ließ auch während des Flugs den Koffer nicht aus den Augen. „An Schlaf ist natürlich nicht zu denken. Wir dürfen 24 Stunden vorher und währenddessen natürlich keinen Alkohol trinken, und müssen wir den Koffer überall hin mitnehmen.“
Bei der Ankunft in den USA fielen Maria zwei Besonderheiten auf. „Nach der Landung betraten mehrere Sicherheitsbeamte das Flugzeug und sprachen mit der Besatzung – erst danach durften wir aussteigen. Außerdem wurde bei allen Reisenden die Temperatur gemessen.“
Per Taxi ging es dann weiter zur Transplantationsklinik. „Es hat alles super geklappt, und ich wurde in der Klinik von einer Mitarbeiterin erwartet. Auch dort haben wir im Vier-Augen-Prinzip alles geprüft und sind die Dokumente durchgegangen. Zurück in Deutschland gibt es natürlich noch eine Nachbesprechung, und ich gebe den Koffer wieder zurück.“
Nach der Übergabe eines Transplantats folgt für Maria jedes Mal ein Moment der großen Erleichterung: „Die Anspannung fällt von einem ab.“ Danach hat sie ein Ritual, das für sie sehr wichtig ist. „Ich fahre ins Hotel, dusche und gehe dann raus und trinke ein Glas Bier auf den Patienten. Ich denke darüber nach, wie es ihm jetzt wohl geht und was er noch vor sich hat. Ich sage mir dann, dass ich von meiner Seite aus alles getan habe, um ihm zu helfen, und dass ich ihm alles Gute wünsche.“
Rausgehen und Biertrinken war dieses Mal nicht möglich, da auch in der amerikanischen Stadt weder Geschäfte noch Lokale geöffnet hatten – selbst das Hotelrestaurant war geschlossen. „Ich habe kurzerhand mein Ritual abgewandelt und auf meinem Zimmer dem unbekannten Patienten mit einem Glas Leitungswasser zugeprostet.“
Am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Deutschland und schon bald steht für die Kölnerin der nächste Flug an – in der coronakrisengeschüttelten Zeit sind Kuriere rar. „Mein Learning aus dieser Reise: Ich werde eine Notfallration Studentenfutter mitnehmen, man kann ja nie wissen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. Ihren Einsatz für Patienten sieht sie reflektiert. „Ich stehe nach wie vor zur Verfügung, wenn meine Hilfe gebraucht wird. Ich bin mir des Risikos bewusst und trage auch unterwegs bestmöglich Sorge dafür, alle Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten. Es ist auch klar, dass die Patienten nicht warten können – und sie sollen ihre Lebenschance erhalten, trotz allem.“
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