Das war eine Glücksgefühle-Explosion
Jens Pinto Christmann aus Mainz rettete einem kleinen Kind das Leben. Inzwischen hat das „Kind“ seinen Highschool-Abschluss gemacht.
Acht Jahre alt war Alejandro Baca Junior aus New Mexico, als er seinem Lebensretter zum ersten Mal begegnete. Jens Pinto Christmann, damals 28, nutzte eine Dienstreise in die USA, um den Empfänger seiner Stammzellspende in der Schule zu überraschen. Es war eine unvergessliche Zeit für die beiden – und die ganze Familie. Beim Abschied sagte Alejandros Mutter Leann: „Zu seinem Highschool-Abschluss musst Du wiederkommen.“ Und Jens erfüllte ihren Wunsch: Als Alejandro endlich seinen Absolventenhut tragen durfte, stand Jens, mächtig stolz und überglücklich, an seiner Seite. Zum Weltglückstag am 20. März berichten wir vom Glück, miterleben zu dürfen, wie ein kleiner Eingriff beim einen alles Glück der Welt für den anderen bedeuten kann.
„Ich freue mich so sehr, dass Alejandro nun die Schule abgeschlossen hat“, erzählt der heute 38-Jährige Jens. „Neben ihm in seiner Robe und dem typischen Hut zu stehen, das war so ein schönes Gefühl. Eine echte Glücksgefühle-Explosion!“
Im Alter von nur vier Monaten erhielt Alejandro die Diagnose Wiskott-Aldrich Syndrom, ein genetischer Defekt. Eine Stammzellspende war seine einzige Überlebenschance. Der internationale Suchlauf förderte einen Treffer in der Datenbank der DKMS zutage: Jens Christmann, 20 Jahre alt, damals aus Ingelheim am Rhein. Der junge Mann hatte sich bereits als 17-Jähriger bei einer Aktion an seiner Berufsschule in die DKMS aufnehmen lassen.
„Ein bisschen unangenehm“ seien die Tage nach der Operation im Jahr 2007 gewesen, sagt Jens. Die Stammzellen wurden ihm seinerzeit unter Vollnarkose aus dem Beckenknochen entnommen. Heutzutage erfolgt der Eingriff in mehr als 90 Prozent der Fälle über eine ambulante Entnahme, ähnlich einer Dialyse. „Aber als ich hörte, dass der Empfänger ein kleiner Junge war – das war spektakulär. Ich habe mich so gefreut, dass ich einem Kind eine zweite Chance geben darf. Obwohl es ja letzten Endes egal ist, an wen die Stammzellen gehen. Hauptsache, es klappt.“
Acht Jahre später, im Jahr 2015, kommt es zu ihrem ersten Treffen in Bernalillo, New Mexiko. Heimlich haben Alejandros Mutter und seine Tanten die Begegnung eingestielt. Jens hat damals beruflich in Texas zu tun und nutzt einen Feiertag für einen Abstecher zu seinem Empfänger. Der Grundschüler weiß von nichts. „Es gab eine große Party zu meinen Ehren“, sagt Jens. „Ein bisschen unangenehm war es mir schon, so im Mittelpunkt zu stehen. Ich hatte ja nicht viel geleistet, wollte mit meiner Spende einfach nur jemandem helfen.“
2018 sehen sich Alejandro und sein genetischer Zwilling aus Deutschland ein zweites Mal. Da befindet sich Jens auf einer Privatreise auf dem Rückweg von Peru. Eine gute Gelegenheit, über die USA nach Hause zu fliegen und nachzusehen, wie es seinem kleinen genetischen Zwilling geht, findet Jens, der als Vertriebsleiter arbeitet. Alejandro ist nun zwölf Jahre alt, hat einen ordentlichen Schuss in die Höhe gemacht und freut sich genauso wie Jens über das Wiedersehen. „Bei den Bacas werde ich als Familienmitglied betrachtet“, erzählt Jens. „`Das ist unser ältester Bruder´, sagen Alejandro und seine beiden jüngeren Geschwister, wenn von mir die Rede ist.“
Die dritte Reise nach New Mexiko findet im vergangenen Jahr anlässlich des Schulabschlusses des inzwischen 18-jährigen Alejandro statt. Und es ist die erste Reise, die Jens ausschließlich zu diesem Zweck antritt. „Es bleibt ein bisschen unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen“, sagt er augenzwinkernd. „Aber inzwischen kenne ich die ganze Familie schon recht gut. Und es bleibt ein absolut cooles Gefühl, Alejandro zu treffen und zu sehen, was dieser kleine Eingriff bei mir, für den ich nicht viel tun musste, in seinem Leben bewirkt hat.“
Wie schon bei seinen vorherigen Besuchen machen die Blutsbrüder ein Foto von sich, das sie in der immer gleichen Pose zeigt. Alejandro ist inzwischen größer als sein Lebensretter. Er studiert Automobiltechnik an einem College in New Mexico. In seiner Freizeit schraubt er leidenschaftlich gern an Autos herum oder besucht College-Sportveranstaltungen.
„Es gibt für Eltern keinen größeren Schmerz als zu hören, dass der Sohn nur eine geringe Überlebenschance hat, wenn er keine Stammzellspende erhält“, erzählt Alejandros Mutter Leann. „Als wir erfuhren, dass Alejandro es schaffen würde, haben wir Freudentränen geweint. Wir werden Jens nie vermitteln können, wie dankbar wir ihm wirklich sind. Wir sind stolz, dass er jetzt ein Teil unserer Familie ist.“
Inzwischen ist Jens‘ Spende auf den Monat genau 18 Jahre her. 18 Jahre, in denen Alejandro sich zurück ins Leben kämpfte und dieses nun in vollem Umfang auskosten darf. Wann es das nächste Wiedersehen zwischen beiden gibt, steht noch nicht fest. Bis dahin bleibt ihnen vor allem ein Gefühl: Glück. Das Glück, einen Stammzellspender und eine zweite Familie gefunden zu haben. Das Glück, dass ein Treffer in einer Datenbank auf der anderen Seite der Welt ein ganzes Leben bedeutete – und gelegentlich eine „Glücksexplosion“, wenn man an diesem Leben für einen kleinen Moment teilhaben darf.
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