Hamburgerin schenkt Schweizerin Lebenschance
Ramona Senger erzählt vom Tag ihrer Stammzellspende
An den Tag ihrer Registrierung erinnert sich Ramona Senger noch ganz genau – es war ein klirrend kalter Samstag im Jahr 2009. Doch auch die eisigen Temperaturen halten die Mutter von zwei Söhnen nicht davon ab, sich auf den Weg zur Aktion in der Bucerius Law School zu machen. „Es gab damals einen Aufruf, der ganz Hamburg mobilisiert hat. Erkrankt war ein Baby, für das ein geeigneter Spender gesucht wurde. Ich erinnere mich, dass die ganze Stadt plakatiert war.“
Die Hilfsbereitschaft ist riesig, mehr als 5.500 Menschen lassen sich am 13. Februar 2009 unter dem Motto „Hilfe für Helene und andere“ in die DKMS aufnehmen. „Wir haben uns in eine lange Schlange eingereiht“, sagt sie. „Bis heute erinnere ich mich daran, dass eine ganz besondere Stimmung herrschte und die Menschen geduldig gewartet haben. Das war ein ganz tolles Gefühl.“
Seither haben von diesen mehr als 5.500 Registrierten 102 Menschen tatsächlich Stammzellen gespendet und damit Lebenschancen schenken können – eine davon ist Ramona Senger. Nach einigen Jahren meldet sich die DKMS bei ihr mit der Nachricht, dass sie als mögliche Spenderin für einen Blutkrebspatienten in Frage kommt.
„Ich war total aufgeregt und gespannt. Es war einfach unglaublich, dass ich jemandem helfen kann“, beschreibt sie ihre Gefühle. Besonders wichtig ist ihr, dass sie von ihrem Umfeld – Familie, Freunde, Kollegen und dem Arbeitgeber – starke Unterstützung erfährt.
Ramona Senger macht sich in der Vorbereitungsphase viele Gedanken und beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema: Wer ist wohl der Patient, hat er Familie, wie alt ist er, wo kommt er her – und ist es eine Frau oder ein Mann? Zu einer ganz besonderen Situation kommt es einige Tage vor der Spende während einer Fahrt mit ihrem Mann auf der Autobahn. „Ich habe ihn gebeten, langsamer zu fahren“, sagt sie. „Mir wurde auf einmal klar – ich wollte nicht riskieren, dass eventuell mir etwas passiert und ich vielleicht deswegen nicht zum Einsatz kommen kann.“
Kurz darauf spendet Ramona Senger ambulant Stammzellen. Bei der peripheren Stammzellentnahme (Apherese) – einem Verfahren, das in rund 80 Prozent der Fälle angewendet wird – werden die Stammzellen der Blutbahn entnommen. Dem Spender wird über fünf Tage hinweg ein Wachstumsfaktor verabreicht. Dieses Medikament steigert die Anzahl der Stammzellen im peripheren Blut, die dann in einem ambulanten Verfahren direkt aus dem Blut gesammelt werden.
„Bei mir hat die Spende knapp fünf Stunden gedauert und ich fühlte mich rundherum gut betreut und aufgehoben.“ Kurz nach der Spende bekam sie einige Informationen zum Patienten: Es handelt sich um eine Frau aus der Schweiz. „Ich bin mit meinen Gedanken bei ihr und drücke ihr die Daumen.“ Gerne würde sie ihre „genetische Zwillingsschwester“ persönlich treffen, doch das ist leider in diesem Fall nicht möglich – da dies das Regelwerk in der Schweiz nicht erlaubt.
Zum Hintergrund: Jeder DKMS-Spender kann im Nachgang zu seiner Spende Angaben zu Geschlecht, ungefährem Alter und Herkunftsland des Empfängers erhalten. Dies erfolgt kurz nach der Spende in einem Telefonat mit dem betreuenden Koordinator der DKMS. Wenn der Spender möchte, können im Verlauf der nachfolgenden Wochen und Monate Informationen zum Genesungsverlauf seines Patienten erfragt und nach Erhalt an den Spender weitergeleitet werden.
Dies ist erst einige Wochen nach der Spende möglich und in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Die Aufnahme eines schriftlichen anonymen Kontaktes direkt ab der Spende ist beiden Seiten ebenfalls möglich, sofern es die Richtlinien des Landes des Empfängers erlauben. Für einen direkten, persönlichen Kontakt ist zu berücksichtigen, dass mindestens zwei Jahre (in einigen Ländern auch mindestens 5 Jahre) nach der Stammzelltransplantation die Anonymität von Spender und Patient gewahrt werden muss. Manche Länder hingehen – wie beispielsweise die Schweiz lassen gar keinen direkten Kontakt zu.
Doch zurück zu Ramona Senger, die jederzeit wieder spenden und einem Patienten in Not helfen würde, für sie war ihr Einsatz eine absolute Selbstverständlichkeit. „Ich erhalte einmal pro Jahr eine Info zum Gesundheitszustand der Patientin. Bislang ist alles positiv, das ist die Hauptsache – und das macht mich wirklich sehr glücklich.“