Spenden, nicht spenden, doch noch spenden
Auf unsere Spender ist Verlass – auch wenn es manchmal Umwege gibt
Roberto Grau Kuntz wurde als Spender für einen Blutkrebspatienten angefragt. Bis zu seinem Ja benötigte er etwas Bedenkzeit. Dann sagte die Klinik des Patienten die Stammzelltransplantation allerdings wieder ab. Vier Wochen später wurde Roberto doch noch als Spender gebraucht – und dieses Mal er zögerte keine Sekunde.
Im Sommer letzten Jahres absolvierte Roberto aus München erfolgreich sein Abitur. Ab Oktober 2020 wird der 20-Jährige Physik studieren. Im Moment arbeitet er in einem Kino, um sich ein wenig Geld für Reisen zu verdienen. Am liebsten möchte er nach Südamerika, zudem plant er noch einen Ägyptenurlaub und eine Asienreise.
Doch Roberto denkt nicht nur an den Spaß in seinem Leben – ihm ist es auch wichtig, soziale Verantwortung zu übernehmen. Deshalb informierte er sich bereits mit 18 über die Themen Organ- und Stammzellspende und entschied sich, potenzieller Spender für beides zu werden.
Bereits im Oktober 2019 erhielt Roberto Post von der DKMS. In dem Brief hieß es, dass er möglicherweise als Stammzellspender für einen Blutkrebspatienten infrage komme. Zunächst war ihm ein wenig unwohl, und er brauchte ein paar Stunden, um eventuelle Risiken abzuwägen. Er fuhr daraufhin zum Starnberger See, tauschte sich mit einem Kumpel aus und kam zu dem Schluss: „Wenn du dich als Spender angemeldet hast, hast du die Entscheidung für eine Spende ja bereits getroffen. Du bist gesund, welche Ausrede hast du also, zu kneifen?“
Roberto veranlasste weitere Blutuntersuchungen bei seinem Hausarzt, und schon bald stand fest: Er würde tatsächlich spenden. Nun wartete er nur noch auf den Voruntersuchungstermin, den letzten Gesundheitscheck vor der Spende. Dann die Überraschung: Die Klinik des Patienten sagt die Stammzelltransplantation ab. Solche Absagen gibt es immer wieder, denn es sind die behandelnden Ärzte, die im Sinne des Patienten über die Notwendigkeit und den richtigen Zeitpunkt für eine Stammzelltransplantation entscheiden.
Roberto machte sich Gedanken über die Absage und hoffte, dass der Patient es auch ohne seine Stammzellen schaffen würde. Also kümmerte er sich erst einmal wieder um seine Reisepläne, die er für die Spende nach hinten verschoben hatte. „Das war aber überhaupt kein Problem“, betont er. Dann wurde er ein zweites Mal überrascht, als er gerade auf dem Weg zur Arbeit war. Denn vier Wochen nach der Absage rief ihn die DKMS erneut an und fragte ihn, ob er noch zu einer Spende bereit sei. Die Klinik des Patienten habe sich wieder gemeldet.
Er zögerte keinen Moment. „Let’s do it“, sagte er und machte sich schon wenige Tage später zur Voruntersuchung nach Dresden auf. Kurze Zeit später war es dann so weit: Unter Vollnarkose spendete Roberto Stammzellen aus seinem Knochenmark und freute sich sehr, dass er doch noch helfen konnte.
Mit dabei war seine Mutter. Für sie war es wichtig zu sehen, dass es ihm gut ging. Die Narkose hat Roberto gut vertragen und bereits am Tag nach dem Eingriff konnte er das Krankenhaus verlassen und sich noch ein wenig Dresden anschauen. Die punktierten Stellen am Beckenkamm konnte er noch spüren. „Es hat sich so angefühlt, als wenn jemand mit seinen Daumen draufdrückt“, sagt er. Aber für ihn war das gut auszuhalten. Roberto ist ein sportlicher Typ. Er macht viel Fitness und Kraftsport, und sein Körper erholte sich schnell von der Spende.
Das entnommene Knochenmark machte sich derweil auf die Reise nach Finnland, wo ein Kind voller Hoffnung auf die Stammzellen wartete. Zwar ist ein anonymer Briefkontakt jederzeit möglich, doch ein persönlicher Kontakt zwischen Spender und Empfänger ist aufgrund der dortigen Gesetze selbst nach zwei Jahren leider nicht möglich. „Wann immer die Eltern oder das Kind mir schreiben möchten, ich bin da“, sagt Roberto. Für Roberto ist die Spende bis heute eine bereichernde Erfahrung. Viele Freunde und Kollegen sind ihm sehr aufgeschlossen begegnet und haben ihn dabei unterstützt.
Roberto findet, die Bereitschaft zu spenden, sollte eine persönliche Sache sein: „Jeder soll für sich entscheiden und reflektieren: Was wäre, wenn ich in eine solche Situation käme und fremde Hilfe benötigen würde? Dann würde ich mir doch auch wünschen, dass jemand da ist, der mir hilft.“