„Wenn sie nicht gespendet hätte, wäre ich nicht hier“
Nachdem die Leukämie bei Ümmü zurückkommt, wird Edvina zu ihrer Lebensretterin
Seinen Anfang nahm alles im Jahr 2018. Die muslimische Fastenzeit Ramadan war gerade vorüber, als Ümmü sich schwach und abgeschlagen fühlte – sicherlich Nachwirkungen der Fastenzeit, dachte sich die 46-Jährige. Doch kurz vor dem geplanten Türkei-Urlaub merkte sie, dass mehr dahinterstecken muss.
Schon der erste Besuch beim Hausarzt sorgt für den schlimmen Verdacht: Leukämie. „Nach der Blutabnahme im Krankenhaus stand fest: Der Grund für meine Abgeschlagenheit war Akute myeloische Leukämie“, so Ümmü. „Zuerst konnte ich das gar nicht so richtig realisieren – das war ein richtiger Schock für mich.“
Dann ging alles ganz schnell. An ihrem 43. Geburtstag beginnt ihre erste Chemotherapie im Krankenhaus in Münster, unweit ihres Wohnorts Lünen. „Das ist eine schwierige Zeit gewesen, aber meine Familie hat mir da durchgeholfen“, erklärt die dreifache Mutter. „Auch die Leute im Krankenhaus waren sehr fürsorglich und haben mich toll aufgefangen.“
Nach drei Monaten Chemotherapie und drei weiteren beschwerdefreien Monaten dann bei der Routineuntersuchung der Schock: Die Leukämie war zurück – nun konnte ihr nur noch eine Stammzellspende das Leben retten. „Ich wusste sofort, dass die bevorstehenden Monate kein Spaziergang durch den Garten werden würden.“ Doch die Ärzt:innen machen ihr Mut. „Die haben immer wieder gesagt: Sie sind noch jung und fit, sie packen das.“
Zu diesem Zeitpunkt wusste Stammzellspenderin Edvina aus Aldingen noch nicht, dass sie schon bald zur Lebensretterin werden würde. „Registriert hatte ich mich bei der DKMS 2016, als ich erfahren habe, dass im Umfeld ein kleines Mädchen dringend auf eine Stammzellspende angewiesen war. Das hat mich damals als frischgebackene Mutter sehr berührt“, erinnert sich die heute 35-Jährige. „2019 habe ich dann in meiner Firma eine eigene Registrierungsaktion gestartet – und währenddessen wurde mir mitgeteilt, dass ich Stammzellen spenden durfte!“ Für Edvina zunächst eine große Überraschung. „Doch das verging schnell und dann war ich neugierig auf das, was da kommt.“ Die folgende Spende lief reibungslos und Ümmüs Körper nahm Edvinas Stammzellen ohne große Komplikationen an.
Seitdem ist Edvina für sie „ihre Retterin“. „Ich war froh, dass jemand da war, der mir Stammzellen gespendet hat. Als es mir allmählich nach der Spende besser ging, habe ich jeden Tag an die Person gedacht, die mir dieses Geschenk gemacht hat. Jemanden gehabt zu haben, der bereit war, einem zu helfen – das ist einfach wunderbar.“ Mittlerweile liegen bereits zwei persönliche Treffen hinter den beiden – einmal in Aldingen und einmal in Lünen. „Es waren emotionale und sehr schöne Tage, bei denen wir beide viel miteinander gesprochen haben“, erinnert sich Edvina zurück. „Auch unsere Familien haben wir dabei kennengelernt.“
Dass Edvinas Stammzellspende ihr eine zweite Lebenschance ermöglicht hat, ist für Ümmü ein großes Geschenk. Damit noch mehr Menschen sich als potenzielle Stammzellspender registrieren lassen, möchte sie sich mit einem Aufruf insbesondere an Mitmenschen muslimischen Glaubens richten. „Viele strenggläubige Muslime meinen, dass eine Stammzellspende nicht mit den Grundsätzen unserer Religion vereinbar wäre“, erklärt sie. Diese Angst sei ihr schon öfter begegnet. „Aber das ist überhaupt kein Problem. Stammzellen zu spenden ist mit dem Koran vollkommen vereinbar.“
Und auch als Stammzellempfänger:in muslimischen Glaubens müsse man sich keine Sorgen machen – haram, also für gläubige Muslime verboten, sei der Empfang einer Stammzellspende nicht, da es um eine lebensrettende Maßnahme gehe. „Der Koran kennt ja beispielsweise auch während des Ramadan Ausnahmen, die es Kindern und Schwangeren erlauben, trotz der Fastenzeit ausreichend zu essen und zu trinken“, erklärt die türkischstämmige Muslimin. „Ich möchte daher alle bitten: Lasst euch registrieren und ermöglicht damit Menschen, die an Blutkrebs erkrankt sind, eine zweite Lebenschance.“