16. September 1991 – ein Todestag, der bis heute Leben schenkt
Ein Schicksal, das anderen Blutkrebspatienten erspart bleiben sollte. Ein Schicksal, das aus einer ehemaligen Bürgerinitiative eine der weltweit größten Stammzellspenderdateien entstehen ließ.
Das tragische und traurige Schicksal von Mechtild Harf war gleichzeitig der Ursprung von bislang 65 000 neuen Lebenschancen auf der ganzen Welt. Heute vor 26 Jahren verstarb Mechtild Harf, gebürtige Kölnerin, gelernte Diplom-Volkswirtin und Mutter von zwei kleinen Töchtern, an Akuter Lymphatischer Leukämie.
„Mechtild muss sterben, wenn sie keinen Spender findet.“ Dieser Aufruf hallt 1990 durch Ludwigshafen und zieht von dort aus immer weitere Kreise. Ein Wettlauf um Leben und Tod beginnt, denn nur eine Knochenmarktransplantation kann sie noch retten. Ihr Ehemann, Dr. Peter Harf beginnt sofort mit der Suche nach einem geeigneten Spender – und mit ihm die Eltern von Mechtild, sechs Brüder und Schwestern, die beiden kleinen Töchter und weitere Angehörige und Freunde. Alle lassen sich testen – vergeblich. Niemand aus der Familie kommt als „genetischer Zwilling“ in Frage.
Die Lage ist schwierig: Während in den USA und Großbritannien bereits umfangreiche Dateien mit potenziellen Knochenmarkspender existieren, gibt es in Deutschland nur einige kleine Datensammlungen, verstreut über verschiedene Städte.
Aufbruch: „Wir machen das Unmögliche möglich!“
Für Mechtild Harf findet sich zunächst kein geeigneter Stammzellspender – ihre Zeit wird knapp, sie erleidet nach der Chemotherapie einen akuten Rückfall. „Wir konnten nicht länger warten, wir wollten kämpfen. Also beschloss ich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen“, berichtet Dr. Peter Harf und gründet im Januar 1991 die private Initiative „Hilfe für Leukämiekranke“, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt seiner Frau, Prof. Dr. Gerhard Ehninger.
Ein mehrköpfiges Helferteam plant und organisiert die ersten großen öffentlichen Registrierungsaktionen zur Neuaufnahme von Spendern. Das Team sammelt Geld für Typisierungen bei Freunden und Unternehmen. Als Vorbild dienen die großen Knochenmarkspenderdateien, die in Großbritannien und den USA schon vor 1991 aktiv waren. „Wir haben das System der ‚patient rated drives’ übersetzt und einfach angefangen“, erinnert sich Dr. Peter Harf. Im Wettlauf um das Leben seiner Frau mobilisiert Harf für die Aktionen das Deutsche Rote Kreuz, die Deutsche Krebshilfe und die Spenderdatei Stefan-Morsch-Stiftung aus Birkenfeld. Die beiden Töchter Katharina und Viktoria, damals 13 und 15 Jahre alt, gehen mit dem Flugblatt „Wir bitten Sie in unserer Verzweiflung um einen 10 ml-Bluttest, er könnte unserer Mutter helfen!“ in die Fußgängerzonen und an die Öffentlichkeit.
Hoffnung: „Stammzellspender gefunden“
Für Mechtild Harf wird schließlich über Prof. Dr. Shraga Goldmann, Leiter der Ulmer DRK-Blutspendezentrale und Transplanteur an der dortigen Klinik, eine passende Stammzellspenderin gefunden. Am 15. April 1991 werden ihr in der Universitätsklinik Tübingen die gesunden Stammzellen ihrer Spenderin übertragen.
Am 28. Mai 1991 wird aus der immer erfolgreicher werdenden Privatinitiative „Hilfe für Leukämiekranke“ schließlich in Tübingen offiziell die DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei gemeinnützige Gesellschaft mbH gegründet, um die bundesdeutsche Situation in Sachen Stammzellspende richtungweisend zu verändern.
Schicksal: „Trauer und Hoffnung“
Knapp vier Monate nach der Transplantation stirbt Mechtild Harf trotz aller ärztlichen Bemühungen an Knochenmarkversagen und anschließender Lungenentzündung. Trotz des schweren Schicksalsschlags machen die Gründer weiter und haben bis heute unter der DKMS gGmbH über sechs Millionen potenzielle Lebensretter registriert, die Verfahren zur Typisierung maßgeblich weiterentwickelt und international Entwicklungshilfe zum Dateiaufbau geleistet. Ein Erfolg, der mit dem Schicksal von Mechtild Harf begann, und Menschen auf der ganzen Welt Hoffnung schenkt.
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