Sommergespräch: Florian Wünsche über seine Krebsdiagnose
"Am Nikolaustag erhielt ich meine Diagnose"
DKMS-Unterstützer Florian Wünsche (27) berichtet in der aktuellen Interviewreihe „Sommergespräch“ darüber, warum es ihm ein wichtiges Anliegen ist, der gemeinnützigen Organisation zu helfen und wie er es geschafft hat, weitere Prominente zu begeistern, sich für die DKMS einzusetzen. Darüber hinaus erzählt er von einer besonders schweren Zeit in seinem Leben – als er selber die Diagnose Krebs erhielt und sich daraufhin entschied, um sein Leben zu kämpfen. Er sagt: „Hilfsbereitschaft sollte für jeden da sein, unabhängig, wo jemand her kommt“. Damit thematisiert er eindrücklich, wie sehr ihn die Solidaritätswelle für den an Blutkrebs erkrankten und auf eine Stammzellspende angewiesenen Max aus Erfurt berührt hat – denn auch Florian Wünsche stammt aus der thüringischen Landeshauptstadt.
Zum Hintergrund: Der in Erfurt geborene und in Köln lebende Schauspieler (SOKO Stuttgart) hat seit einiger Zeit eine enge Verbindung zum Thema Stammzellspende und unterstützte im Mai 2018 mit viel Herzblut die Spenderneugewinnungsaktion „Jetzt bist Du am Zug – setz ein Zeichen gegen Blutkrebs“ zum jährlichen DKMS World Blood Cancer Day. Seither ist er noch mehr davon überzeugt, dass man gemeinsam mehr für Patienten in Not bewirken kann. Ein DKMS-Sonderzug fuhr damals quer durch Deutschland und stoppte an sechs Bahnhöfen, an denen es jeweils eine Registrierungsaktion unter dem Motto „Hilfe für Max und andere“ gab – darunter auch der Stuttgarter Hbf. und der Kölner Hbf., wo der 27-jährige Florian Wünsche mit dabei half, die Menschen über die Arbeit der DKMS zu informieren und sie zu motivieren, sich in die Datei aufnehmen lassen.
Lieber Florian, warum engagierst Du Dich für die DKMS?
Auf der einen Seite ist es natürlich eine Typfrage, ob man überhaupt offen für so etwas ist. Zum anderen ist es diese Unmittelbarkeit, wenn man sich mit der Thematik Krebs und insbesondere Blutkrebs auseinander setzt. Es ist das, wo man schnell feststellt: Wahnsinn, wir können helfen! Und dann ist es wichtig, die Menschen zu mobilisieren und zu sagen: Okay, jetzt wollen wir so viele Spender wie möglich sammeln und den betroffenen Leuten die Möglichkeit geben, ihr Leben ganz normal fortsetzen zu können.
Hast Du einen persönlichen Bezug zum Thema Krebs?
Ja – leider Gottes muss man sagen. Wir reden mittlerweile über eine Krankheit, die eigentlich jeden im Leben irgendwann mal vor den Kopf haut, ob selber betroffen oder als Angehöriger. Ich habe tatsächlich im Jahr 2011 mit 20 Jahren die Diagnose Krebs bekommen. Unmittelbar einen Tag nach der Diagnose, am 06. Dezember an Nikolaus, wo alle Geschenke in den Stiefel bekommen, hat man mir etwas rausoperiert und es war leider Gottes bösartig. Ich habe das aber alles gut überwunden und bin jetzt seit sieben Jahre frei mit der Nummer. Ich habe natürlich – auch in Kombination mit dem Job, den ich mit einer gewissen Wahrnehmung ausführe und die in meinen Augen auch irgendwo verpflichtend ist – sofort begonnen, mich damit auseinander zu setzen. Auch im Hinblick darauf, um meinen Angehörigen ein bisschen Druck rauszunehmen. Dazu kommt: Ich finde das Wort einfach hart: Krebs, das ist wie so eine Gewitterwolke, die immer nur Unheil bringt. Doch zum Glück haben wir heute medizinisch ganz andere Möglichkeiten. Summa summarum ist es mir ein Anliegen, mich mit dem, was ich leisten kann, einzubringen. Ob es Kontakte zu Kollegen sind, Leute zusammen zu bekommen oder die Aufmerksamkeit auf das Thema zu richten – das war mir wichtig und deswegen habe ich da relativ schnell gesagt: Okay, den Weg schlage ich ein, weil das mir dann letzten Endes mehr gibt als das, was ich beruflich mache.
Glaubst Du, dass dich deine Erkrankung noch sensibler im Umgang mit dem Thema und den Patienten gemacht hat?
Ja, aber ich war vorher schon relativ wach. Es ist natürlich dann nochmal eine andere Konfrontation, wenn man tatsächlich nicht weggucken und nicht sagen kann: Ich will das jetzt nicht. Man hängt da drin und man muss ganz andere Ressourcen frei machen, gedanklich, körperlich. Was mir sehr viel gebracht hat, war die Konfrontation mit Familie und Angehörigen. Hier einen ganz normalen Umgang zu finden, die Leute aufzuklären und sich mit allen Möglichkeiten, die so eine Krankheit birgt, auseinander zu setzen. Das macht einen definitiv sensibler und vor allem demütiger, was Zeit und Leben angeht. Man sagt sich: Okay, ich bin ein junger Kerl, ich stand damals mit 20 Jahren voll im Saft und für mich war das so weit weg. Doch das ist dem Leben eben einfach manchmal egal. Und dann muss man zusehen, dass man trotzdem das Beste daraus macht und möglichst viele Leute überzeugt, ihr Möglichstes zu geben.
Du hast ganz viele Kollegen auch motiviert, dass sie sich einsetzen, dass sie z.B. im Rahmen des Sonderzugs unseren WBCD unterstützen. Es sind viele Kollegen gekommen und haben geholfen. Wie sehr hat Dich das gefreut?
Es macht einen schon stolz. Es ging klein los und man versucht natürlich immer das, was man hat, einzubringen. Dass dann so viele Kollegen mitziehen war klasse – zum einen, weil sie am Ende auch nur Menschen sind, zum anderen, weil sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Auf den Punkt gebracht, was machen wir eigentlich: Wir sind in der Unterhaltungsbranche, wir retten keine Leben, wir sind die, die im Fernsehen sind – aber was tun wir schon damit. Ich habe mehr Freude daran, die Kollegen zu animieren – was in diesem Fall überhaupt nicht schwierig war, im Gegenteil. Aber auch die Bavaria, die Saxonia, das ZDF haben mitgemacht. Das war ein Lauffeuer und es kamen Antworten wie: „Alles klar, wir wollen helfen“, Was können wir tun?“ oder „Wann müssen wir wo sein?“. Ich glaube, das ist für jeden von uns auch ein guter Balsam, ein guter Ausgleich. Das was wir normalerweise tun ist natürlich eine Parallelwelt, so viel Spaß der Job auch macht. Das ist alles nicht so, wie es scheint und wir haben Freude daran, uns künstlerisch einzubringen, aber dann auch tatsächlich diese Reichweite mit der wichtigen Botschaft zu nutzen „Hey Leute! Wir können was tun, wir können Leben retten!“.
Du warst an zwei Stationen mit dabei, in Stuttgart und in Köln, gibt es da irgendeinen Moment oder irgendetwas, was Dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Es war ein spannendes Sozial-Experiment für mich. Zum einen war der Austausch mit Kollegen, die man natürlich kennt, besonders. Man kommt ja tatsächlich selten auf so eine Ebene zu fragen: „Sag mal, inwieweit bist du vielleicht betroffen oder was bewegt dich jetzt gerade mitzumachen?“ Es werden einfach gewisse Scheuklappen beiseite gelegt, man kann sich austauschen und merkt, jeder hat natürlich sein Päckchen zu tragen, unter jedem Dach gibt es ein Ach und jeder hat seine Geschichte – das war spannend.
Zum anderen natürlich der aktive Austausch mit potenziellen Spendern und wirklich mit vollem Einsatz zu versuchen, so viele Leute wie möglich zu motivieren, sich registrieren zu lassen!
An jedem der sechs Bahnhöfe, an dem der DKMS-Sonderzug gestoppt hat, gab es eine Registrierungsaktion unter dem Motto „Hilfe für Max und andere“. Max (14) aus Erfurt war dringend auf eine Stammzellspende angewiesen. In Erfurt selber gab es außerdem eine öffentliche Registrierungsaktion, die von Familie und Freunden mit der DKMS organisiert worden war und bei der sich knapp 2.000 Menschen registriert haben. Kürzlich gab es eine Nachricht, die Hoffnung schenkt: Für Max wurde ein geeigneter Spender gefunden. Was ist Dir durch den Kopf gegangen, als Du dies erfahren hast und wie sehr freut es Dich, dass die Menschen in Deiner Heimat so solidarisch sind?
Ich bin in Erfurt geboren und groß geworden, meine Eltern leben dort – das ist einfach die Stadt, mit der ich sehr viel verbinde und auf die ich sehr stolz bin. Auch weil sie schön ist und natürlich, wenn Du hörst, wie hilfsbereit die Menschen dort sind.
Hilfsbereitschaft sollte für jeden da sein, unabhängig, wo jemand her kommt. Es ist einfach toll, dass es bei Max geklappt hat und jetzt hoffen wir, dass das alles funktioniert und alles erfolgreich sein wird. Dass er sein Leben als junger Mann bestreiten kann und dass alles irgendwann nur noch eine Erinnerung für ihn ist. Ich hab mich natürlich riesig gefreut, ich habe es durch eine SMS erfahren, nachdem klar war, dass es einen Spender gibt. Es ist fabelhaft, dass sich Erfurt da als Stadt, als Gemeinde, dahinter stellt und sagt „Wir kriegen das hin!“, was natürlich parallel auch noch 2000 andere Chancen auf Leben möglich macht. Das ist ja das, worum es geht und das ist sehr, sehr schön!
Allgemein konnten schon mehr als 70.000 Lebenschancen für Blutkrebspatienten weltweit durch den Einsatz unserer DKMS-Spender ermöglicht werden. Sind diese Menschen Helden für Dich?
Was ist ein klassischer Held? Ein klassischer Held ist für mich Superman, aber den gibt es nicht. Ich glaube, jeder, der einfach die Möglichkeiten nutzt, die wir haben und ohne Eigennutz daraus zu ziehen, der hat etwas Heldenhaftes! Zu sagen, okay, ich nehme mich zurück, gehe „all-in“, um jemanden zu helfen! Und jemandem in Not einfach die Option zu geben. Es gibt Leute, die sind ewig registriert, da passt es halt nicht und dennoch, sind sie nicht schlechter als diejenigen, die tatsächlich als Spender passen. Das ist das Schöne: Eigentlich könnte jeder ein Held sein! Denn es ist ganau das Gefühl, was einem die Registrierung gibt. Einfach diese Möglichkeit zu haben: Ich könnte derjenige sein, der vielleicht ein anderes Leben rettet – und wenn das nicht Motivation genug ist, ich weiß nicht, was dann!
Vielen Dank für das Interview!