Helfen aus Nächstenliebe
Eine Familie, drei Mal Hoffnung für Blutkrebspatient:innen
Familie Ristic aus Kirchhain in Hessen ist eine Familie mit ganz besonderen Merkmalen, besonderen Gewebemerkmalen. Alle vier Familienmitglieder sind bei der DKMS registriert, bei dreien gab es schon einen Treffer. Dreimal stimmten die Gewebemerkmale mit denen eines suchenden Patienten oder einer suchenden Patientin überein. Was für ein Zufall. Die Geschichte einer Familie von Hoffnungsträgern.
Den Stein ins Rollen gebracht hat Mutter Manuela Ristic (46). Sie machte ihre Familie auf das Thema Stammzellspende aufmerksam, legte ihrem Mann Thorsten (51) und später auch den beiden Kindern Finn (19) und Mika (23) die Registrierung bei der DKMS ans Herz.
Anlass für Manuelas Registrierung war die Erkrankung einer jungen Mutter aus dem Ort vor rund zehn Jahren. Es gab eine große Spenderneugewinnungsaktion und Manuela ging kurzerhand mit Freundinnen hin. Ihren Mann überzeugte sie dann etwa ein Jahr später. „Das Unglaubliche war, dass ich schon wenige Wochen danach von der DKMS als Spender angefragt wurde“, sagt Thorsten Ristic. Ein paar Monate später, im Frühsommer 2015, wurde dem Logistikmeister in einer Kölner Klinik unter Vollnarkose Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen. „Es war für mich selbstverständlich zu helfen und kein großer Aufwand. Ich wurde sehr gut aufgeklärt“, sagt Thorsten. Danach erfuhr er, dass seine Spende an einen jungen Mann nach Italien gegangen ist. Es war für ihn ein schönes Gefühl zu wissen, dass er einem Menschen, der das Leben noch vor sich hat, eine zweite Lebenschance schenken konnten.
Frühjahr 2018: Manuela erhält Post von der DKMS und wir aufgefordert Blut abzugeben, um ihre Gewebemerkmale mit denen eines potenziellen Patienten oder einer Patientin abzugleichen. Es zeigt sich: Die leitende OP-Schwester ist die passende Spenderin und kann im Sommer 2018 ebenfalls in Köln spenden. Allerdings ambulant. „Das war schon ein tolles Gefühl, ebenfalls helfen zu können“, sagt sie. Für sie ist die Stammzellspende ein Akt der Nächstenliebe. „Man wünscht sich doch auch Unterstützung, wenn man auf Hilfe angewiesen ist“, so Manuela. Sie stellt sich vor, dass ihre Empfängerin vielleicht eine Person ist, die ihr ähnelt – über die Gewebemerkmale hinaus. Ihre Stammzellen gingen an eine Frau in Australien.
Herbst 2022: Manuelas und Thorstens Kinder Mika (23) und Finn (19) sind mittlerweile auch bei der DKMS registriert. Jetzt wird Sohn Finn plötzlich zur Spende angefragt. Auch er ist ein Match. Der Abiturient bereitet sich auf die ambulante Spende vor. Manuela und Thorsten unterstützen ihn dabei und freuen sich sehr, dass wieder ein Familienmitglied helfen kann. „Meine Eltern sind für mich ein Vorbild. Es ist eigentlich eine Kleinigkeit, die man macht, im Vergleich zu dem, was betroffene Patienten oder Patientinnen durchmachen müssen“, sagt Finn. Doch dann kommt es leider anders. Die Empfängerin oder der Empfänger schafft es leider nicht mehr und verstirbt. Finn kommt gerade aus der Schule, als er die Nachricht erhält. „Das hat mich sehr getroffen“, sagt er. Dennoch weiß er, dass er für eine kurze Zeit für die betroffene Person und ihre Familie ein großer Hoffnungsträger war. Für Finn steht fest, dass er auf jeden Fall wieder bereitsteht, falls er noch einmal gebraucht werden sollte.
„Jetzt ist aber erst mal Mika dran“ witzelt Thorsten Ristic. Schließlich ist er der einzige, der bisher noch keine Spendenaufforderung erhalten hat.
Kontakt zu ihren Empfängern haben Manuela und Thorsten leider nicht. Das steht für sie aber auch nicht im Vordergrund. Wichtig ist, dass sie Hoffnung auf Leben schenken konnten, den Betroffenen, aber auch deren Familie und Freunden.
Auch an Weihnachten schenkt Manuela Hoffnung. Am 24. Dezember arbeitet sie wie fast jedes Jahr im Krankenhaus, und freut sich darauf, mindestens ein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Manuela ist leitende Fachpflegerin im Operationsdienst im Bereich Gynäkologie und operative Geburtshilfe. An den anderen Tagen gibt es einfach ein gemütliches Beisammensein mit Freunden und der Familie.
„Wenn wir gebraucht werden, sind wir da“, sagen Manuela und Thorsten. Soziale Verantwortung zu übernehmen ist ihnen wichtig: in ihren Berufen, in der Familie, für Freunde, aber auch für Fremde.