„Der Krebs hat sich mit dem falschen Mädchen angelegt!“
Wie Steffi und ihre Spenderin Aylin in Indien das Leben und eine Hochzeit feierten
Die Leukämie hat Steffi aus Ahmedabad in Indien besiegt, dank einer Stammzellspende von Aylin aus Stuttgart. Nachdem sich die beiden jungen Frauen 2017 zum ersten Mal in Deutschland getroffen haben, ist eine Freundschaft fürs Leben entstanden, die vor wenigen Wochen in Indien ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte - auf der Hochzeit von Steffi, mit Aylin als Trauzeugin.
“Cancer messed with the wrong girl„, resümiert die 28-jährige Steffi Mac am Ende eines Eintrags bei Facebook. Trotz der vielen seelischen und körperlichen Nebenwirkungen, die sie im Verlauf ihrer Krankheit durchlebt hat, zieht sie dieses Fazit.
Steffi hat die Leukämie dank einer Stammzellspende besiegt und damit den Kampf gegen den Blutkrebs gewonnen. Die junge Frau ist wieder gesund und lebt und arbeitet in Ahmedabad, der fünftgrößten Stadt Indiens. Dort ist sie als Dozentin für Literatur und Sprachen an der Universität tätig und schreibt ferner als freie Autorin für verschiedene Magazine. Dabei thematisiert sie auch immer wieder ihre Erkrankung, die Möglichkeit der Stammzellspende und motiviert die Menschen in ihrer Heimat zur Registrierung.
Anfang 2018 hat Steffi geheiratet und das Ereignis mit über 700 Gästen gefeiert. Unter ihnen war auch ein ganz spezieller Gast: Aylin Biberici, ihre Stammzellspenderin aus Deutschland. Alle Hochzeitsgäste wollten die Lebensretterin kennenlernen und sich persönlich bei ihr bedanken. Aylin erfuhr viel Dank und Bewunderung dafür, dass sie sich dazu entschieden hat, einem ihr zunächst völlig fremden Menschen zu helfen. Ohne ihre Hilfe wäre Steffi wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Ihren Vornamen hat Steffi übrigens ihrem Vater zu verdanken, der ein großer Steffi Graf-Fan war.
Aylin, die in Stuttgart lebt, hatte sich bereits 2011 in die DKMS aufnehmen lassen. Ein kleiner Junge aus Esslingen mit türkischen Wurzeln hatte Blutkrebs und benötigte einen Spender. Fast drei Jahre später, Anfang 2014, erhielt sie eine E-Mail von der DKMS. Darin wurde sie gebeten, beim Hausarzt ein wenig Blut abzugeben, da es sein könnte, dass sie für einen suchenden Patienten passt, und bald stand fest, dass ihre Gewebemerkmale mit denen des Patienten übereinstimmten und sie spenden würde.
Die Spende fand in Dresden statt. „Mein Körper hat sehr gut auf das Medikament zur Mobilisierung meiner Stammzellen reagiert. Ab dem dritten Tag hatte ich Kopf- und Gliederschmerzen, aber nach der Spende habe ich mich schnell erholt“, erinnert sich Aylin. Und weiter: „Bereits am Abend wusste ich, dass meine Stammzellen an eine 25-jährige Frau nach Indien geschickt wurden.“
Nach zwei Jahren Anonymitätsfrist, im Frühjahr 2016, erhielt Aylin Nachricht von der DKMS, dass ihre Stammzellempfängerin sie gerne kennenlernen möchte. Sofort stimmte sie zu. Die Adressen wurden ausgetauscht und schon bald hatte Aylin eine E-Mail von Steffi im Posteingang. Es folgte ein reger Austausch auf Englisch und im Mai 2017 kam Steffi nach Deutschland. Die beiden Frauen verbrachten acht gemeinsame Tage in Stuttgart. „Es hat sich überhaupt nicht fremd angefühlt. Steffi gehörte sofort zur Familie“, sagt Aylin.
Anlässlich Steffis Hochzeit erfolgte im Januar 2018 der Gegenbesuch nach Ahmedabad. Steffi wollte Aylin unbedingt als ihre Trauzeugin dabei haben. Vor der kirchlichen Trauung gab es einen so genannten „Sari-Abend“, wo gemeinsam mit der Familie des Vaters der Braut gebetet, gefeiert, gegessen und getanzt wurde. „Das kann man sich so vorstellen, wie in einem Bollywood Film – eine kunterbunte, traditionelle und sehr fröhliche Feier“, sagt Aylin. Am nächsten Tag fand dann die christliche Trauung in der Kirche statt. Anschließend wurde in einem großen Restaurant mit Ballsaal gefeiert – „ähnlich wie bei einer deutschen Hochzeit“, beschreibt es Aylin. Immer wieder wurden Fotos gemacht, denn alle Hochzeitsgäste wollten ein Bild mit der Lebensretterin aus Deutschland haben. „Das war ein unvergessliches Erlebnis“, erzählt Aylin.
Es vergeht kein Tag, wo sie nicht an Steffi denkt, und die beiden sich schreiben. Es ist ihnen wichtig, sich an ihren Leben teilhaben zu lassen. Immer wieder entdeckt Steffi an sich neue Dinge. Nach der Spende hat sie z.B. hellere Haut, welligeres Haar, gewisse Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder beispielsweise eine Allergie gegen Mücken. Oft fragt sie Aylin: „Habe ich das von Dir?“ Und meistens muss Aylin das bejahen.
Die Situation von Blutkrebspatienten in Indien
Dass Steffi eine Stammzelltherapie bekommen hat, verdankt sie ihrem Vater Josef, der nichts unversucht gelassen hat, die Spendersuche für sein einziges Kind zu unterstützen. In Indien gibt es zwar über 40 Transplantationskliniken, die Anzahl der zur Verfügung stehenden Stammzellspender ist jedoch so gering, dass die Situation für viele betroffene Patienten in dem 1,3 Milliarden großen Vielvölkerstaat oft aussichtslos ist.
Um die Situation vor Ort zu verbessern, kooperiert die DKMS seit 2014 mit dem indischen Bangalore Medical Service Trust (BMST). Unter dem Projektnamen SCRI – „Stem Cell Registry India“ nimmt das durch DKMS geschulte BMST-Team in Indien potenzielle Stammzellspender auf. Bereits über 13.500 neue potenzielle Spender haben sich so registriert, von denen bereits 4 Stammzellen gespendet haben. Nicht der einzige Erfolg: 2017 hat die DKMS 38 Stammzellspenden nach Indien vermittelt.
Steffi und Aylin möchten mit ihrer Geschichte informieren und aufklären und vor allem zur Registrierung motivieren, damit noch mehr Blutkrebspatienten eine Chance auf Leben erhalten.