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3. Mai 2023, News in Medizin & Forschung

Stammzelltransplantation bei HIV: DKMS-Experte Professor Gero Hütter im Gespräch

Warum der „Düsseldorfer Patient“ gleich doppelt geheilt werden konnte - und warum Fälle wie dieser so selten sind

Fünfmal ist es weltweit bereits gelungen, einen krebskranken HIV-Patienten mithilfe einer Stammzelltransplantation zu heilen. So auch den 53 Jahre alten „Düsseldorfer Patienten“, über den die Sendung Stern TV (RTL) aktuell berichtet. Bei ihm war 2011, drei Jahre nachdem bei ihm HIV festgestellt worden war, eine akute myeloische Leukämie (AML) diagnostiziert worden. 2013 erhielt er eine Stammzelltransplantation – mit doppeltem Erfolg: Sowohl seine HIV-Erkrankung als auch die Leukämie konnten geheilt werden. Das DKMS Redaktionsteam hat sich zu den Hintergründen bei Prof. Gero Hütter informiert.

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    Der 54-jährige Hämatologe ist ärztlicher Leiter des DKMS Collection Centers [...]

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  • Pionier mit weltweitem Renommee

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Der 54-jährige Hämatologe Prof. Gero Hütter ist ärztlicher Leiter des DKMS Collection Centers in Dresden, dem Entnahmezentrum für Stammzellspenden der gemeinnützigen Organisation. Im Jahr 2007 hat er an der Charité in Berlin mit seinem Team die erste Stammzelltransplantation bei einem HIV-positiven und zugleich an Leukämie erkrankten Patienten durchgeführt und damit weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt.

Herr Professor Hütter, Sie haben vor mehr als 15 Jahren den sogenannten „Berliner Patienten“ behandelt, der – ebenso wie der „Düsseldorfer Patient“ – mit einer Stammzelltransplantation von seiner HIV-Erkrankung geheilt werden konnte. Warum kommt diese Therapieform nicht standardmäßig bei allen HIV-Patient:innen zum Einsatz?

Zum einen bringt eine Stammzelltransplantation für die Patientinnen und Patienten das Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen mit sich. Viele Patient:innen können nach der Transplantation wieder ein gesundes Leben führen. Doch es gibt noch immer einige Transplantierte, die im Rahmen dieser sehr intensiven und für die Patient:innen extrem herausfordernden Behandlung versterben – zum Beispiel an der gefürchteten Graft-versus-host-disease . Eine Stammzelltransplantation kommt daher nur bei bestimmten Erkrankungen wie Leukämien in Betracht, für die es keine anderen Heilungschancen gibt. Im Gegensatz zu vielen Krebspatient:innen können HIV-Patient:innen heutzutage mithilfe wirksamer Medikamente lange Zeit mit ihrer Erkrankung leben, weshalb eine Stammzelltransplantation bei einer reinen HIV-Infektion das größere Risiko darstellen würde. Die Heilung von HIV kann daher nur ein – wenn auch großartiger und sehr erwünschter – Nebeneffekt einer Stammzelltransplantation sein. Zurzeit wird sie ausschließlich bei solchen HIV-Patient:innen angewendet, die zusätzlich lebensbedrohlich von Blutkrebs oder einer anderen Erkrankung mit der Indikation Stammzelltransplantation betroffen sind.

Gibt es denn Bestrebungen, die Erfolgschancen von Stammzelltransplantationen weiter zu verbessern?

Ja, natürlich, und die DKMS nimmt dabei mit ihrer Clinical Trials Unit sogar eine Vorreiterrolle ein.

Aber selbst wenn jede Stammzelltransplantation zum gewünschten Erfolg führen würde, wäre die Anzahl der HIV-Patient:innen, die damit geheilt werden könnten, noch immer sehr gering. Es kann nämlich nur für sehr wenige Patient:innen der oben beschriebenen Gruppe ein passender Stammzellspender gefunden werden, dessen Stammzellen zugleich in der Lage sind, eine HIV-Erkrankung zu heilen. Denn das sind sie nur dann, wenn sie Träger der Genmutation CCR5Δ32 sind, die von Mutter und Vater geerbt wird. CCR5Δ32 kommt insbesondere bei Menschen aus Nord- und Mitteleuropa vor, ist aber insgesamt sehr selten. Sie verhindert, dass das HIV auf den Immunzellen andockt, sodass das humane Immundefizienzvirus Typ 1 (HIV-1) die Zellen nicht infizieren kann. Träger der Mutation sind deshalb nahezu resistent gegen den Erreger.

Die Zahl geeigneter Spender mit der CCR5-Δ32-Mutation ist aber, wie gesagt, sehr gering: Sie betrifft nur etwa ein Prozent der europäischen Bevölkerung. Ein geeigneter Spender müsste außerdem – zusätzlich – HLA-ident sein, was schon selten genug ist.

Die HLA-Merkmale von Patient:in und Spender:in müssen für eine erfolgreiche Stammzelltransplantation identisch sein. HLA-Merkmale sind Strukturen auf der Zelloberfläche, die dem Körper signalisieren, ob es sich um körpereigene oder fremde Zellen handelt. Wer sich bei der DKMS als potenzieller Spender registriert, wird im DKMS Life Science Lab in Dresden auf diese Merkmale typisiert. Ist es dort möglich, auch den CCR5-Rezeptor der Spender:innen zu bestimmen?

Ja, das ist problemlos möglich, denn das DKMS Life Science Lab nutzt eine sehr leistungsstarke Technologie namens Next Generation Sequencing. Diese ermöglicht nicht nur eine weltweit einzigartige Leistungskraft im Hinblick auf die Quantität der analysierten Spender-Proben, sondern auch eine herausragende Typisierungsqualität. In dem seltenen Fall, dass für Patient:innen ein HLA-identer Spender mit der Genmutation CCR5Δ32 benötigt würde, könnte man diesen sehr kurzfristig identifizieren. Die Voraussetzung wäre natürlich, dass ein solcher Spender in der Datei überhaupt vorhanden ist.

Wie schätzen Sie die Zukunft der Stammzelltransplantation als Heilungschance für HIV-Patient:innen ein? Sollten die Mediziner:innen diesen Weg weiter verfolgen?

Aus den oben genannten Gründen ist eher nicht zu erwarten, dass diese Behandlungsform in der HIV-Therapie zum Standard wird. Es lohnt sich aber dennoch, weiter im Bereich der Gentherapie für HIV-Patient:innen zu forschen. Denn diese sind durch die medikamentöse Therapie zwar erst einmal von der akuten Gefahr befreit, das AIDS-Stadium schnell zu erreichen. Aber dennoch: Ihre Lebenserwartung und ihre Lebensqualität sind eingeschränkt, die Patient:innen haben Folgeschäden durch die Behandlung und durch die HIV-Erkrankung. Und leider sterben noch immer viele von ihnen doch noch an Aids, wenn die Medikamente irgendwann nicht mehr wirken oder nicht mehr genommen werden können. Es besteht also, was die Situation von HIV-Patient:innen betrifft, definitiv Optimierungsbedarf.

Herr Prof. Hütter, wir danken Ihnen sehr für das Gespräch.

Hinweis: Im Zuge der Sendung STERN TV vom 03.05. ruft die Redaktion alle Menschen im Alter von 17 bis 55 Jahren zu einer Registrierung in der DKMS auf. Damit erhöhen sich die Chancen auf Leben für alle auf eine Stammzelltransplantation angewiesenen Erkrankten weltweit. Wer mitmachen möchte, ist herzlich eingeladen auf dkms.de/sterntv

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