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2. Februar 2020, News in Medizin & Forschung

„Sport kann ein effektives Werkzeug sein“

Interview mit Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Köln

Aktuelle Studien belegen: Eine Sporttherapie kann zum Erfolg einer Stammzelltransplantation beitragen. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Köln hat dem DKMS-Redaktionsteam im Interview erklärt, wie Sport ganz konkret zum Erfolg von Stammzelltransplantationen beitragen kann.

  • Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bloch

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    Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bloch

    Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bloch, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und [...]

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    Markus Gerlach, geheilter Blutkrebspatient, unterstützt regelmäßig die DKMS [...]

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Herr Prof. Bloch, mit Ihrem Team an der Sporthochschule Köln untersuchen Sie unter anderem die Auswirkungen von Sport und Bewegung auf die Stammzellen und das Immunsystem. Wie kann Sport ganz konkret zum Erfolg von Stammzelltransplantationen beitragen?

Vor einer Stammzelltransplantation ist ja zunächst einmal wichtig, dass dem Spender genügend Stammzellen entnommen werden können. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass ein sportlich aktiver Spender über höhere Stammzellkapazitäten verfügt als ein unsportlicher Spender. Das betrifft insbesondere die hämatopoetischen Stammzellen, also die Stammzellen des blutbildenden Systems. Damit für die periphere Stammzellentnahme eine ausreichende Menge an Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut gespült werden kann, müssen die Gefäßwände entsprechend durchlässig sein. Sport induziert eine Reihe von Prozessen, die hierfür eine wichtige Rolle spielen. Bei Patienten erforschen wir aktuell, auf welche Weise Sport ihnen helfen kann, die Stammzellen vom Empfänger gut anzunehmen und im Körper an die richtigen Stellen zu transportieren.

Damit sich die Stammzellen zahlreich und schnellstmöglich an den richtigen Stellen ansiedeln können, müssen sie mobil sein und Gefäßbarrieren überwinden können. Treibt der Patient Sport, so unsere Annahme, wird die Durchlässigkeit seiner Gefäße gefördert und die Beweglichkeit der Zellen nimmt zu. Das ist allerdings ein Bereich, in dem noch ein großer Forschungsbedarf besteht. Fest steht schon heute: Ein fitter Patient übersteht Therapien in vielen Fällen wesentlich leichter. Darüber hinaus haben wir in Studien belegen können, dass Sport auch therapiebegleitend die Immunabwehr stärkt. Wir konnten zum Beispiel eine Reduktion von Lungenentzündungen feststellen, die für den Leukämiepatienten ja sehr kritisch sind. Auch Patienten, die vom Fatigue-Syndrom betroffen sind, die also über Monate oder sogar Jahre unter chronischer Müdigkeit leiden, profitieren nachweislich vom Sport.

Und welche Rolle spielt Sport für die Psyche der Patienten?

In unseren Studien beobachten wir auch das Verhalten und Empfinden der Patienten. Erwiesen ist, dass Sport die Depressionsneigung senkt, und die Patienten sich insgesamt besser fühlen. Physis und Psyche befinden sich ja immer in einem Wechselspiel, man kann die beiden Bereiche nicht wirklich trennen. Wenn ein Patient fitter und weniger müde ist, dann geht es ihm normalerweise auch psychisch besser. Sport kann dem Patienten das Gefühl geben, dass er trotz seiner Krankheit etwas leisten kann. Der Patient, der in seiner Therapie sehr stark auf die Expertise anderer angewiesen und gewissermaßen zur Passivität verdammt ist, ist beim Sport aktiv und selbstwirksam.

Dieser positive Effekt könnte sicherlich dadurch noch verstärkt werden, dass der Patient nicht im Krankenhaus, sondern in einem ganz normalen Umfeld trainiert. Im Zuge einiger Studien gehen wir deshalb in Fitnessstudios, wo unsere Studenten das Training von Blutkrebspatienten für ihre Abschlussarbeiten begleiten. Langfristig wäre es sicherlich gut, wenn diese Aufgabe Fitnesstrainer und Physiotherapeuten mit entsprechender Zertifizierung übernehmen würden, was derzeit noch nicht der Fall ist.

Bis vor einigen Jahren hat man Leukämiepatienten noch absolute Ruhe statt Sport verordnet. Was hat dazu geführt, dass sich das gewandelt hat?

Lange Zeit hatte man große Angst davor, Patienten zusätzlich zu belasten. Leukämiepatienten sind ja ohnehin schon physisch und psychisch enorm herausgefordert. Die logische Schlussfolgerung war, dass der Patient ausschließlich Ruhe halten und sich vor allem entspannen sollte. Entsprechend vorsichtig sind wir an das Thema Sport herangegangen. Unsere ersten Studien zielten darauf ab herauszufinden, ob es überhaupt möglich und sicher ist, mit Leukämiepatienten zu trainieren. Die Ergebnisse waren sehr positiv: Ja, wir können mit den Patienten trainieren, oft sogar mit denjenigen, bei denen die Thrombozyten- oder Erythrozytenzahlen weit abgefallen sind. Je nachdem, in welchem Zustand sich der Patient befindet, ist natürlich eine medizinische Überwachung während des Sports notwendig.

Ruhe ist für Leukämiepatienten nach unserem heutigen Kenntnisstand immer noch gut und sehr wichtig. Aber inzwischen wissen wir eben auch, dass zusätzlich eine gewisse körperliche Belastung notwendig ist. Denn nur durch Belastung können im Körper wichtige Umwandlungs- und Umbauvorgänge angeschoben werden.

Was sind das für Vorgänge, also was genau passiert in unserem Körper, wenn wir Sport treiben?

In einigen Studien der vergangenen Jahre konnten wir nachweisen, dass Sport die Barrieren zwischen einzelnen Teilbereichen des menschlichen Körpers verändern kann – zum Beispiel zwischen dem Blutsystem und den Organen oder auch dem Knochenmark. Wir gehen davon aus, dass Sport die Durchlässigkeit unserer Gefäße beeinflusst, was sich auch auf die Aktivierung und den Transfer von Stammzellen auswirken würde. Wenn eine Zelle zum Beispiel aus dem Blut zurück ins Knochenmark oder aus dem Knochenmark ins Blut wandern soll, muss sie sich durch Gefäßwände hindurchbewegen. Die Gefäßwände sind aber durch Barrieren – das Bindegewebe und insbesondere die Endothelzellen – gesichert.

Um die Bindegewebswand aufzuschließen müssen die Endothelzellen aktiviert werden, zum Beispiel durch Bewegung. Sie ziehen sich daraufhin ein wenig zurück und öffnen sozusagen ihr Tor. Mit einer Art biochemischem Bohrer durchdringt die Zelle dann von außen das Bindegewebe, das unter der Endothelzelle liegt und drückt sich schließlich in das Gewebe hinein.

Welche Trainingsarten haben sich bei Sporttherapien für Blutkrebspatienten besonders bewährt?

Das hängt von der individuellen körperlichen Verfassung ab. Normalerweise ist Ausdauersport im aeroben Bereich – also mit niedriger Intensität – eine gute Basis. Mit ergänzenden Krafttrainings-Einheiten kann man zusätzlich die Muskulatur anregen. Je nachdem, welche Therapie der Patient durchläuft, ist es sinnvoll, ein sensomotorisches Training mit einzubeziehen – also ein koordinatives Training, das die Bewegungsabläufe verbessert. Vor allem dann, wenn er hochdosierte Chemotherapien hinter sich hat. Wichtig ist generell: Nicht zu lange trainieren! Besser sind kürzere, aber dafür häufigere Blöcke, zum Beispiel zwei Mal pro Tag 15 Minuten Cycle-Training. Und nicht vergessen: Immer mal zwischendurch einen Ruhetag einlegen!

Gibt es Situationen, in denen beim Sport besondere Vorsicht geboten ist?

Gerade im Bereich der Prähabilitation und im akuten Erkrankungszustand muss eine Sporttherapie immer medizinisch überwacht werden. Dazu gehört unter anderem eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte. Auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist eine Überwachung am Anfang wichtig, um den Patienten anzuleiten und ihm zu zeigen, wie viel Belastung ihm guttut. Auch der behandelnde Arzt sollte in die Trainingsplanung einbezogen werden. Es muss zum Beispiel abgeklärt sein, dass bei dem Patienten keine akute Infektion vorliegt. Auch Herzprobleme und die Gefahr von Blutungen müssen ausgeschlossen werden. Individuell gilt es immer wieder auszubalancieren, wieviel Ruhe ein Patient benötigt und welches Ausmaß an Bewegung für ihn angemessen ist.

Was muss ein Blutkrebspatient tun, der – im Krankenhaus oder auch ambulant – von einer Sporttherapie profitieren will? Wer ist sein Ansprechpartner?

Immer mehr Krankenhäuser bieten Trainingstherapien an. Die Sporthochschule Köln arbeitet mit dem Centrum für integrierte Onkologie der Uniklinik Köln zusammen. Dort haben die Patienten spezielle „Guides“, die sie durch die Therapie begleiten. Von ihnen erhalten sie auch die Information, ob und wo sie an einem Training teilnehmen können. Das ist sicherlich der Idealfall, funktioniert so aber noch nicht überall. Wichtige Ansprechpartner und Multiplikatoren sind immer die Ärzte: Wenn sie eine Sporttherapie empfehlen, hat das oft eine besonders motivierende Wirkung, und das Angebot wird häufiger wahrgenommen. Man kann sich als Patient auch an die Deutsche Krebshilfe wenden. Unter www.krebshilfe.de ist eine Broschüre mit dem Titel „Sport bei Krebs“ erhältlich, darin gibt es ein Kapitel „Leukämie bei Erwachsenen“ mit interessanten tiefergehenden Informationen.

Wie soll es in Ihrer Forschung in punkto Sporttherapie idealerweise weitergehen?

Wir hoffen in den nächsten Jahren noch ein bisschen besser zu verstehen, welches und wie viel Training für Krebspatienten am effektivsten ist. Sport ist ein Stimulus, der wie ein Polymedikament wirkt. Das bedeutet: Sport umfasst so viele Einzelwirkungen zusammengefasst, dass diese die Einzelwirkungen von Medikamenten, die wir in der Therapie anwenden, übersteigen können. Da besteht für die Krebstherapie ein großes Potenzial. Aber man muss die Dosis-Wirkung-Beziehungen sehr genau kennen. Daran wollen wir in den nächsten Jahren verstärkt arbeiten. Unser Ziel ist es, das Potenzial der Sporttherapie in der Prähabilitation, der unterstützenden Therapie und der Rehabilitation voll und ganz auszuschöpfen. Ich bin davon überzeugt, dass Sporttherapie künftig ein sehr effektives Werkzeug sein kann, mit dem wir Krebspatienten helfen können.

Vielen Dank für das Interview!

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