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27. November 2020, News in Partner & Netzwerk

Solidarität, die sichtbar wird!

Interview mit Dr. Peter Tauber über den großen Mehrwert, der durch die Arbeit der DKMS entsteht

Dr. Peter Tauber, Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, ist ein langjähriger und leidenschaftlicher Unterstützer der DKMS. Trotz seines vollen Terminkalenders nimmt er sich immer wieder Zeit, um unsere Aktionen zu unterstützen und um uns im Kampf gegen Blutkrebs zu helfen, wo er kann. Wir haben mit Dr. Tauber über seine Motivation gesprochen, sich so stark einzubringen und welche Rolle seine eigene Krankheitserfahrung dabei spielt.

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    Dr. Peter Tauber im Interview über die Arbeit der DKMS und sein persönliches Engagement

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    Dr. Peter Tauber

    CDU, MdB und Staatssekretär im Bundesministerin der Verteidigung

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    Interview mit Dr. Peter Tauber

    DKMS-Mitarbeiter Christian Khalil im Gespräch mit Dr. Peter Tauber

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Herr Dr. Tauber, Sie sind bereits seit 1996 bei uns registriert. Was war damals für Sie der Anlass, sich als potenzieller Stammzellspender bei der DKMS zu registrieren?

Das ist wirklich lange, lange her und der Grund war ein schlichter. Eine Bekannte von mir kannte den Patienten, für den die Aktion durchgeführt wurde, persönlich. Sie wollte damals unbedingt zu dieser Registrierungsaktion. Weil sie aber nicht alleine dort hingehen wollte, bin ich kurzentschlossen mit gegangen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen persönlichen Bezug zur DKMS, ich hatte bis dahin noch nie etwas davon gehört. Das war etwas ganz Neues für mich und direkt nach der Aktion habe ich auch nicht mehr weiter darüber nachgedacht. Ich weiß noch, dass wir in einer ewig langen Schlange gestanden haben. Damals wurde einem bei der Registrierung ja noch Blut abgenommen und bei den vielen Menschen, die vor Ort waren, dauerte das eben seine Zeit.

Seitdem haben Sie sehr viel getan, um uns zu unterstützen. Warum ist Ihnen das Thema Blutkrebs ein so starkes Anliegen geworden?

Ich habe natürlich immer mal wieder etwas in den Medien über die DKMS gelesen. Einmal war ich sogar in der engeren Auswahl, um tatsächlich für einen Patienten zu spenden. Auch wenn es damals nicht zur tatsächlichen Spende kam, war das aber ein Moment, an dem ich noch einmal intensiver über das Thema ´Spender sein´ nachdachte: Wie ist das eigentlich? Was macht das mit mir? Und ist das nicht ein schönes Gefühl, für einen anderen Menschen ein Lebensretter zu sein? Noch intensiver habe ich mich dann mit dem Thema Blutkrebs beschäftigt, als ich einen jungen Mann kennenlernte, der aus meiner Heimat kam und der auf einen Stammzellspender angewiesen war. Da gab es eine Riesenaktion bei uns in der Gegend. Mehrere tausend Menschen machten mit und auch über soziale Netzwerke wurde zur Teilnahme aufgerufen. Die positive Ausstrahlung dieses jungen Mannes hat mich direkt begeistert.

Wie haben Sie diesen jungen Mann kennen gelernt?

Ich spreche von meinem Freund Martin Stolle, der leider später verstarb, obwohl er einen Spender gefunden hatte. Er strahlte trotz seiner Krankheit so viel Lebensfreude und so viel positive Energie aus, das war beeindruckend. Er hat immer wieder gesagt: Verzagt nicht, ich bin auch zuversichtlich. Das hat mich enorm beeindruckt, wie man schon in jungen Jahren so stark sein kann. Martin kam damals einfach auf mich zu – ich bin Bundestagsabgeordneter in unserer gemeinsamen Heimat – und hat gefragt, ob ich ihn auch unterstützen könne. Das habe ich sofort und gerne gemacht. Daraus wurde dann so etwas wie eine Freundschaft. Wir haben uns öfter gesehen und immer Kontakt gehalten.

Hatten Sie also auch persönlichen Kontakt zueinander?

Genau! Martin hatte einfach ein tolles Naturell, war fröhlich und zugewandt. Er hat von einem Fußballturnier, bei dem Spenden gesammelt wurden, bis hin zu Registrierungsaktionen, alles Mögliche auf die Beine gestellt. Und dann hat er immer wieder zu mir gesagt: Du musst vorbeikommen und du musst mitmachen. Und wenn ich konnte, war ich auch dabei und habe das unterstützt. Ich habe mich jedes Mal gefreut, ihn zu treffen. Wir hatten auch über Facebook und per Handy miteinander geschrieben und immer wieder persönlichen Kontakt. Wie gesagt, das war so ein toller junger Mann, dass man gar nicht anders konnte als den zu mögen und ihm zu helfen.

Inwiefern spielt Ihre persönliche Krankheitsgeschichte eine Rolle dabei, dass Sie anderen erkrankten Menschen helfen möchten?

Ach, ich weiß gar nicht, ob das so einen großen Einfluss hat. Vielleicht hat es meinen Blick nochmal geschärft. Ich habe mich ja bereits in den neunziger Jahren typisieren lassen und auch die Aktionen rund um Martin Stolle, das war vor meiner Erkrankung. Dennoch: Wenn man selber krank ist, dann wird einem die Endlichkeit des eigenen Seins bewusst und man stellt fest, wie leichtfertig wir mit unserer Gesundheit umgehen, so lange wir gesund sind. Wenn wir morgens aufstehen und es tut nichts weh, dann beschäftigen wir uns mit anderen Problemen. Problemen, die in dem Moment zu kleinen Problemchen werden, wenn man richtig krank wird. Das ist mir durch meine eigene Krankheit bewusst geworden und daran versuche ich mich jeden Tag zu erinnern.

Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie die Diagnose erhalten haben?

Ich hatte eine schwere Darmentzündung. Da waren die Schmerzen so stark, dass ich selbst den Notarzt rief und mich ins Krankenhaus bringen ließ. Nachts um drei. Mir war sofort klar: Irgendwas ist hier nicht so, wie es sein soll. Die Diagnose selbst war in meinem Fall sogar eher beruhigend, weil ich dann wusste: Es ist behandelbar. Deswegen ist es – glaube ich – schwer vergleichbar. Eine Krebsdiagnose stelle ich mir anders vor. Viel schwieriger. Das ist ja der Holzhammer, der einen unerwartet trifft. Und da wünsche ich jedem, dass er nicht nur gute Ärzte hat, sondern auch Menschen im persönlichen Umfeld, die einen auffangen. Ich glaube, das ist mindestens so wichtig, wie eine gute Therapie.

Und genau darin liegt ein ganz großer Mehrwert der DKMS. Neben der konkreten Hilfe, Menschen zu identifizieren, die spenden, entsteht eine Solidarität die sichtbar wird! Wenn ich zurück denke an Martin Stolle, dann weiß ich gar nicht mehr, wie viel tausend Menschen da waren. Die erste Registrierungsaktion fand in einer Schule statt und die Menschen standen stundenlang in der Schlange um zu helfen. Keiner hat gemeckert. Alle haben geduldig gewartet. Und ich glaube, diese Solidarität, das gibt einem Menschen der krank ist unheimlich viel Kraft.

Welche Lehre haben Sie für sich aus Ihrer Krankheitserfahrung gezogen?

Ich versuche, an mir und meiner Persönlichkeit zu arbeiten, natürlich ohne dass ich dadurch ein völlig anderer Mensch werde. Aber es gibt eine Sache, die ich mir immer wieder vor Augen führe: Wenn man vor einer Herausforderung steht, mit der man hadert – und eine Krankheit ist genau das –, dann macht es keinen Sinn zu glauben, man muss das alleine durchstehen. Dann darf, kann und soll man nach Menschen Ausschau halten, die einem helfen. Im Falle einer Krankheit sind das natürlich zunächst mal Ärzte und Pflegekräfte, aber damit hört es nicht auf. Im Freundeskreis und in der Familie geht das weiter. Auch ein Pfarrer kann beispielsweise so ein Mensch sein. Wir können uns eingestehen, dass es gut ist, wenn andere da sind, die uns helfen wollen. Das ist für mich eine große Lehre und das geht auch über das Thema Krankheiten hinaus. Dieses Miteinander in der Gesellschaft ist etwas Gutes und Erstrebenswertes.

Mit der Bundeswehr durften wir bisher bereits mehr als 600 gemeinsame Registrierungsaktionen durchführen. Mit mehr als 63.000 registrierten Spendern von denen bis heute mehr als 1600 tatsächlich Stammzellen gespendet haben. Eine ganz tolle Zusammenarbeit. Warum ist die Hilfsbereitschaft bei den Menschen in der Bundeswehr besonders groß?

Über diese tollen Zahlen freue ich mich sehr. Vor allem, weil aus diesen Aktionen heraus bereits mehr als 1600 Mal konkret einem Patienten eine zweite Lebenschance gegeben wurde. Das ist eine starke Bilanz. Warum sind Soldaten hilfsbereit? Die genannten Aktionen werden ja oft für einen Kameraden oder eine Kameradin durchgeführt, und Kameradschaft ist nun mal essentiell für einen Soldaten. Ohne Kameradschaft kann man nicht bestehen. Und deswegen sind sie vielleicht auf eine besondere Art und Weise hilfsbereit. Und was wir in der Gesellschaft Solidarität nennen, beschreiben Soldaten eben als Kameradschaft: Wenn man helfen kann, hilft man. Und in diesem speziellen Falle ja noch ohne eigene Nachteile in Kauf zu nehmen. Im Zweifel bedeutet ja Kameradschaft, dass ich mich selber auch zurücknehme: Ich gebe etwas, damit ein anderer profitiert und nehme dafür Nachteile für mich selbst in Kauf. Soweit muss man bei einer Registrierung als Stammzellspender aber gar nicht gehen. Und deswegen glaube ich, ist die Bundeswehr ein gutes Pflaster für die DKMS und wenn wir auch künftig eine so gute Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und DKMS hinbekommen, würde ich mich auch persönlich darüber freuen.

Wie können wir die gute Zusammenarbeit zwischen DKMS und Bundeswehr weiter stärken?

Wir hatten ja neulich einen konkreten Fall, wo ich auch mich persönlich einbringen durfte. Das war Dennis. Ich bin überzeugt, dass diejenigen, die eine „Bundeswehrgeschichte“ haben, auf die Unterstützung von vielen aus der Bundeswehr setzen können, wenn sie auf eine Spende angewiesen sind. Das gilt auch für Veteranen und Reservisten. Ich bin mir sicher, dass die aktive Truppe auch gerne denen helfen wird, die aus dem Dienst ausgeschieden sind und umgekehrt. Wenn so jemand Unterstützung braucht, ist die Bundeswehr oder vielleicht sogar seine ehemalige Einheit immer ein guter Partner.

Seit März 2020 mussten wir als DKMS aufgrund der Corona-Pandemie sämtliche Offline-Registrierungsaktionen bis auf weiteres aussetzen. Das versuchen wir mit Online-Registrierungsaktionen zu kompensieren. Das klappt bisher nur bedingt, auch weil das emotionale Erlebnis der Offline-Registrierungsaktionen nicht in dem Maße vorhanden ist…

Ja, das ist schade. Denn theoretisch ist es ja viel weniger Aufwand, sich online zu registrieren. Da bekomme ich alles nach Hause geschickt, kann das machen wann ich will und schicke das Registrierungsset wieder zurück wann es mir passt. Alles ganz einfach. Und es ist ja theoretisch viel aufwändiger irgendwo hinzufahren, sich in eine Schlange zu stellen und eventuell sogar noch bei schlechtem Wetter draußen warten zu müssen. Es ist sehr interessant: Sonst richten wir unser Verhalten sehr auf Bequemlichkeit aus und an der Stelle wo es über Online-Registrierungen viel leichter und viel bequemer ist zu helfen, machen wir es nicht oder noch nicht in der Form. Das spricht schon dafür, dass das Gefühl, Teil von etwas zu sein und eine Registrierungsaktion persönlich zu erleben eben eine ganz große Motivation ist. Aber insbesondere in der aktuellen Zeit bitte ich alle: Macht mit! Registriert euch online!

Herzlichen Dank für das Interview!

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