Unsere Währung sind gerettete Leben!
Fundraising bei der DKMS: Von großen und kleinen Geldspenden und ganz viel Kreativität im Kampf gegen Blutkrebs
Geld rettet Leben! Bei der DKMS wirbt deshalb eine ganze Abteilung mit 15 Mitarbeitern um finanzielle Unterstützung für die gemeinnützige Organisation. Heike Müller-Jungbluth arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei der DKMS und leitet seit 2004 die Abteilung Fundraising. Im Interview gibt sie Einblicke in den Alltag der Fundraiser: von Extremläufern in der Atacama-Wüste, Charity Shopping, Nacktkalendern für den guten Zweck und einer besonders berührenden Geldspende…
Über Geld spricht man nicht, heißt es. Im Fundraising bei der DKMS passiert aber genau das jeden Tag. Warum ist das Thema „Geld“ für die Arbeit der DKMS so wichtig?
Wir wollen Leben retten – so viele wie möglich. Deswegen haben wir uns als Organisation im Kampf gegen Blutkrebs viel vorgenommen. Idealismus allein ist aber nicht genug. Um effektiv helfen zu können, brauchen wir Geld, denn ohne finanzielle Mittel ist dieser Kampf nicht zu gewinnen. Um genau diese finanziellen Mittel kümmern wir uns im Fundraising. Das heißt: Ja, wir reden über Geld! Aber wir machen das, indem wir über die Arbeit der DKMS sprechen, was wir schon erreicht haben, was wir noch vorhaben und wie man uns dabei helfen kann! Natürlich werden die Früchte dieser schönen Aufgabe in Geld gemessen – aber unsere Währung sind gerettete Leben!
Wie viel Geld wird denn jährlich an die DKMS gespendet?
Im Jahr 2018 waren es fast 19 Millionen. 70 Prozent kommt von Privatleuten. Normalerweise spendet der deutsche Bundesbürger durchschnittlich 35 Euro. Unsere Unterstützer spenden sogar 59 Euro. Darüber freuen wir uns natürlich.
Was motiviert Ihre Geldspender?
Grundsätzlich gibt es natürlich viele Beweggründe. Meine Erfahrung ist, dass persönliche Betroffenheit meist eine große Rolle spielt. Oft sind es Patientenfälle in der eigenen Familie, Schule, Firma, Verein, Stadt oder Region, die die Menschen mobilisieren. Da aber nicht alle Menschen als Stammzellspender in Frage kommen, freuen sich viele, auf andere Weise im Kampf gegen Blutkrebs zu helfen. Wir im Fundraising bieten allen Menschen, Registrierten und Nicht-Registrierten, aber auch Vereinen, Unternehmen oder Stiftungen die Möglichkeit, Teil der großen DKMS-Familie zu sein.
Was wird mit den Spendengeldern finanziert?
Die meisten Menschen kennen uns nur als Stammzellspenderdatei. Jeder neue potenzielle Stammzellspender, den wir registrieren, kostet die DKMS 35 Euro. Allein in diesem Bereich gibt es einen jährlichen Finanzierungsbedarf von ca. 21 Millionen Euro. Das ist aber nur ein Aspekt unserer Arbeit. Der Kampf gegen den Blutkrebs hat noch ganz andere, vielschichtige Facetten. Das schließt die Themen Forschung, die weltweite Verbesserung des Zugangs zu Behandlung und Transplantation sowie internationale Hilfestellung im Aufbau von Stammzellspenderdateien oder Transplantationskliniken mit ein. Das zeigt, wir haben sehr viel zu tun und noch unheimlich viel vor!
Den Geldspender interessiert aber natürlich sehr konkret, wie seine persönliche Spende eingesetzt wird und was damit getan werden kann. Neben den 35 Euro für die Registrierung eines neuen potenziellen Stammzellspenders kann zum Beispiel eine Geldspende von 80 Euro für eine Registrierungsaktion eingesetzt werden, um erkrankten Menschen zu helfen. Mit 400 Euro kann man sogar finanziell sicherstellen, dass wir die Genehmigung für eine neue klinische Studie erhalten. Und mit 5.000 Euro ist es möglich, ein Laborgerät zu finanzieren, mit dem wir dann den Wirkmechanismus blutkrebsbekämpfender Zellen analysieren können. Eine tolle Sache, denn so leistet jeder Beitrag seine ganz individuelle Hilfe.
Was hat der Unterstützer von seiner Geldspende?
Gemeinsam eine große Aufgabe zu bewältigen, das gute Gefühl zu helfen und Mitstreiter im Kampf gegen Blutkrebs zu sein, das ist es, was man bei uns bekommt. Aber unsere Erfahrung zeigt auch: Menschen brauchen Hilfe beim Helfen! Oft fehlen ihnen Informationen, welche Organisation zu ihnen passt, wie sie überhaupt helfen können und auf was sie bei der Geldspende achten müssen. Hier geben wir als Fundraiser natürlich gerne und jederzeit Hilfestellung. Wir zeigen Möglichkeiten auf, die zu den Menschen passen und begleiten sie auf dem gemeinsamen Weg. So entstehen Partnerschaften – manchmal sogar auf Lebenszeit.
Was nimmt sich das Fundraising für das nächste Jahr vor?
Im vergangenen Jahr haben wir 5460 Menschen eine neue Chance auf Leben gegeben. Für neun von zehn suchenden Patienten in Deutschland finden wir den passenden Stammzellspender. Das ist schon ein Riesenerfolg. Aber wir wollen natürlich mehr! Unser Ziel ist es, allen Blutkrebspatienten zu helfen. Und dabei spielen unsere vielen Geldspender eine wichtige Rolle. Deswegen haben wir uns überlegt, sie zu fragen, was ihnen wichtig ist. Über die Jahre hat macht man sich natürlich ein Bild von seinen Unterstützern gemacht – aber stimmt das Bild eigentlich, das wir da im Kopf haben? Und so werden wir nächstes Jahr erstmalig eine Marktforschung durchführen, um unsere Geldspender und auch solche, die es noch nicht sind, nach ihren individuellen Erwartungen, Wünschen und Bedürfnissen zu befragen. Das dürfte für uns sehr spannend werden.
Haben die Geldspender denn unterschiedliche Bedürfnisse?
Oh ja. Da gibt es die klassischen Geldspender der Generation 60plus, die von uns vorzugsweise einen Brief bekommen, sich eher für Themen im Bereich der Forschung oder für gemeinnütziges Vererben interessieren und in der Regel eine Überweisung tätigen. Die Jüngeren dagegen agieren sehr kampagnenbezogen, wollen mitbestimmen, „sich“ zeigen und ihr Engagement „teilen“. Die junge Generation möchte sehr genau wissen, was mit ihrem Geld passiert und welche Wirkung sie damit erzielt. Um auch für junge Unterstützer attraktiv zu sein, bedarf es moderner Zahlungsmethoden, „hipper“ Spendenplattformen und sehr viel Erlebbarkeit. Da wir eine Organisation mit sehr jungen Unterstützern sind, beschäftigen wir uns im Fundraising daher sehr viel mit diesen Trends.
Apropos „hip“: Der Black Friday und der Cyber Monday stehen kurz bevor. Warum sind diese Tage für das DKMS-Fundraising so wichtig?
Black Friday und Cyber Monday sind amerikanisch geprägte Marketingbegriffe und bezeichnen den Start des Weihnachtsverkaufs durch die großen Off- und Online-Shops. Klassischerweise ist die Vorweihnachtszeit auch die Hauptsaison im Fundraising. Es ist die Zeit der „offenen Herzen“, die Zeit, in der jeder noch einmal auf das Jahr zurückblickt. War es ein gutes Jahr? Wenn ja, möchte ich gerne etwas zurückgeben.
Dies kann man auch im Rahmen der Weihnachtseinkäufe – denn das sogenannte Charity Shopping geht dann in seine Hochphase. Es ist ein einfacher Weg für Kunden, mit jedem Einkauf eine Nonprofit-Organisation seiner Wahl finanziell zu unterstützen ohne selbst Geld zu spenden. Die großen Shops zahlen pro Einkauf einen festgelegten Anteil an die vom Kunden ausgewählte gemeinnützige Organisation. Die DKMS ist etwa bei „AmazonSmile“ und „Wecanhelp!“ registriert. Dadurch generieren wir rund 25.000 Euro pro Monat – im trubeligen Vorweihnachtsgeschäft kann das auch gut mal das Dreifache sein.
Die DKMS erhält auch Geld, weil andere auf ihres verzichten, sogenannte „Verzichtsspenden“. Wie funktioniert das?
Ganz genau. Geld ist nur eines von vielen Dingen, die gespendet werden. So erhalten wir auch viele Sachspenden und besagte „Verzichtspenden.“ Hinter dem Zungenbrecher „Lohnfortzahlungserstattungsverzicht“ verbirgt sich bei der DKMS zum Beispiel eine ganz spannende Möglichkeit der Unterstützung: Im Rahmen einer Stammzellspende fallen die Spender meist ein paar Tage beruflich aus. Der Arbeitgeber kann bei uns um die Erstattung der Fortzahlung des Lohns bitten. Doch die meisten Unternehmen verzichten auf diese Erstattung. Da kommen jedes Jahr rund 600.000 Euro zusammen, die wir nicht bezahlen müssen und somit wieder für die gute Sache einsetzen.
Die Unterstützer der DKMS sind mitunter sehr kreativ, was ihre Geldspenden angeht.
Das stimmt. Es ist einfach unfassbar, was sich die Leute einfallen lassen, nur um uns zu helfen! Neulich hatten wir einen Extremsportler, der in sieben Tagen unglaubliche 250 Kilometer durch die Atacama-Wüste in Chile gelaufen ist und anschließend 11.150 Euro Kilometergeld von Freunden und Bekannten überwiesen hat. Menschen haben sich schon die Haare zu unseren Gunsten abschneiden lassen. Manche lassen sogar die Hüllen fallen und posieren als ganze Fußballmannschaft oder Feuerwehrverein nackt für die gute Sache im Fotokalender!
Unsere Unterstützer geben dabei sehr viel mehr als „nur“ Geld: Sie schenken uns ihre kostbare Zeit! Das ist in der heutzutage oft sehr schnelllebigen Zeit sehr besonders und freut uns unheimlich!
Das heißt also: Jeder Euro zählt!
Ja! Jeder Euro zählt. Natürlich bieten uns Großspenden von Privatleuten, Unternehmen oder Stiftungen eine hohe Planungssicherheit. Beispielsweise wird dadurch eine dreijährige Finanzierung unseres Schulprojektes ermöglicht oder ähnliches. Es sind aber oft die kleinen Spenden von Menschen, von denen man weiß, dass sie selbst nicht viel zur Verfügung haben, die einen besonders berühren. Das sind die Briefe von Rentnern, die uns 10 Euro in bar in den Umschlag stecken und handschriftlich ihr Bedauern ausdrücken, dass die knappe Rente dieses Jahr nicht mehr möglich macht. Oder vor ein paar Jahren die Spende von zwei Grundschülerinnen. Sie haben in der Vorweihnachtszeit bei Eiseskälte in einer Fußgängerzone stundenlang zu unseren Gunsten Weihnachtslieder auf der Blockflöte gespielt. Die unterkühlten, kleinen Finger mag man sich gar nicht vorstellen. Aber sie überreichten uns freudestrahlend und überglücklich 143 Euro. Solche Momente sind unvergesslich.
Bitte vervollständige: Eine Geldspende ist für mich….
… jeden Tag aufs Neue eine Wertschätzung unserer Arbeit. Da gibt es jemanden, der unser aller Arbeit bei der DKMS nicht als selbstverständlich hinnimmt, sondern als förderungswürdig erachtet und seine Wertschätzung mit einer Geldspende zum Ausdruck bringt und sagt: Das macht Ihr richtig gut bei der DKMS – weiter so!
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